Zottel liest im Wartezimmer |
Ich tat so, als hätte ich nichts gehört und habe weiter in das Magazin geguckt.
„Schnell“, sagte die Größere, die sich bunte Perlen in ihre langen schwarzen
Haare geklöppelt hatte, zückte ihr pinkfarbenes Handy und fotografierte mich.
„So, den stelle ich nachher bei Facebook ein. Der kommt mega cool.“
Dann
war das Interesse der beiden an mir erloschen. Die mit den langen schwarzen
Haaren, die auf ihrem Kaugummi mahlte wie eine wiederkäuende Kuh, wechselte
plötzlich das Thema. Es ging um Männer, wohl eher um Jungen. “Du, der Massel ist
voll doof.“ Sie meinte wohl Marcel, sprach es aber wie Massel aus, wobei der mit ihr sicher keinen Massel hat. Ich konnte mich nur mühsam auf den Artikel
über Facebook konzentrieren, weil ich immer wieder dieselben Wortfetzen hörte:
„Also, ich so zu ihm ...“, „Und er dann ...“, „Ich aber ganz cool ...“, „Voll
krass, mit diesem abgefahrenen Teil ...“.
Glücklicherweise kam Cara bald zurück und strahlte, weil man bei ihr
nichts Schlimmes gefunden hatte. Und schon ging wieder die Tür auf und es hieß:
„Zottel, bitte.” Jetzt war ich an der Reihe, drückte Cara schnell die
Zeitschrift in die Hand und sagte: „Lies mal den Artikel über das Recht am
eigenen Bild. Hochinteressant. Jeder muss vorher gefragt werden, ob sein Bild
bei Facebook eingestellt werden darf, sonst kann man die Leute verklagen.“ Dann
warf ich noch einen kurzen Blick rüber zu den verdutzten Mädchen und konnte es
mir nicht verkneifen: „Noch einen schönen Sommertag, mit oder ohne
Massel!“