Donnerstag, 26. Oktober 2017

Zottel hatte zu nichts Lust, so richtig zu gar nichts



Das ist mir noch nie passiert, aber in diesem Herbst bin ich in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Nein, ich bin nicht gestolpert und in eine Grube geplumpst. Denn man weiß es schließlich, nur wer anderen eine gräbt, fällt selbst hinein. Und so was mache ich nicht. Außerdem setze ich immer mit Bedacht eine Tatze vor die andere.

Es passierte in meinem Kopf, da war alles schwarz, so schwarz wie das Federkleid der Amseln, die sich auf dem Rasen munter tummelten und nach Nahrung suchten.  Appetit hatte ich übrigens auch nicht. Mein Bruder schob mir Honigbonbons rüber und animierte mich zum Schreiben. Doch was sollte ich schon berichten, der Sommer war so trist gewesen? Da blieb die Inspiration auf der Strecke. 
Keine Lust auf Honigbonbons

„Na, dann sammel doch Kastanien oder Pilze“, riet mir Gustav. Beinahe hätte ich ihm geantwortet: „Schieß du doch in die Pilze“, aber ich bin ja ein freundlicher Bär, hielt also meine Klappe: Burnout-Gustav, der immer in Action sein muss, würde ja doch nicht verstehen,  dass ich dazu erst recht keine Lust verspürte.  Da hätte ich mich ja bewegen müssen.
Kastanien und Eicheln sammelte ich früher gern

So begann es im September. Dann kam der goldenen Oktober, von dem alle begeistert waren, doch ich konnte das Gold nicht erkennen. Der Sommer war schließlich vorüber und bald würden die Blätter von den Bäumen fallen und die kahlen Äste würden sich gespenstisch in den grauen Himmel recken. Und bald käme dann auch die  Kälte über uns. Zeit für mich, in den Winterschlaf zu gehen. Als ich das laut sagte, tippte sich Cara an die Stirn und meinte: „Winterschlaf kommt noch früh genug. Geh mal nach draußen, das wird dir guttun.“ Toller Rat, und das ausgerechnet von Cara, der Erfinderin des Joggens und der langen Spaziergänge. Da hätte ich doch beinahe gelacht, wäre es nicht so traurig gewesen, solche Ratschläge zu erhalten.

Ich hatte nun mal partout keine Lust, mich von der Stelle zu  bewegen.  Also habe ich mich auf mein Kissen gesetzt und mich hinter meiner Sonnenbrille versteckt, auch wenn gar keine Sonne schien.
Ich will all das Elend nicht sehen

Nach ein paar Tagen war mir dann so richtig langweilig. Aber das konnte ich ja nicht zugeben, ohne meine Würde zu verlieren. Doch es war schon verdammt anstrengend, nur dazusitzen und vor sich hin zu denken. Oder auch mal gar nicht zu denken. Das ist ganz schön schwierig. Mir ist es nicht gelungen. Kann ja jeder einmal ausprobieren, nichts zu denken, so richtig gar nichts.

Mit einem Mal aber fand ich mich ganz großartig. Wie toll ist das denn, ich kann, ich muss immer denken, denken, denken! Ich, Zottel, bin eine Denkmaschine, sagte ich insgeheim zu mir. Dann nahm ich meine Sonnenbrille ab und schaute – beglückt über diese Erkenntnis –  aus dem Fenster auf den Balkon hinaus und staunte. Denn da hatte sich was getan, das ich beinahe – auf meinem Ruhekissen sitzend – verdöst hätte. Die Chrysanthemen vom vergangenen Jahr, sie waren im Balkonkasten zu wahren Büschen herangewachsen. Wie gut, dass ich Cara im Frühjahr hatte überreden können, sie nicht heraus zu rupfen und zu  kompostieren. Nun blühten sie in voller Schönheit. 
Meine Chrysanthemen - gerrettet!
Einer der Büsche hat sogar etwas ganz Besonderes hervorgebracht. Zwischen all den violetten Chrysanthemen blüht eine in unschuldigem Weiß. Ich sah das als Zeichen, nicht nur dafür, dass ich Recht behalten hatte mit dem Bewahren, sondern auch, dass die Zeit der schwarzen Gedanken nun vorüber sei.
Nur eine Blüte in schönstem Weiß

Das musste ich jetzt unbedingt in die Tasten hauen und meinen Lesern mitteilen, ganz nach dem Motto: Dear friends, Zottel is back again! Oder auf Deutsch: Liebe Freunde, euer Zottel ist wieder da!