Das ist mir noch nie passiert,
aber in diesem Herbst bin ich in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Nein, ich
bin nicht gestolpert und in eine Grube geplumpst. Denn man weiß es schließlich,
nur wer anderen eine gräbt, fällt selbst hinein. Und so was mache ich nicht.
Außerdem setze ich immer mit Bedacht eine Tatze vor die andere.
Es passierte in meinem Kopf, da
war alles schwarz, so schwarz wie das Federkleid der Amseln, die sich auf dem
Rasen munter tummelten und nach Nahrung suchten. Appetit hatte ich übrigens auch nicht. Mein
Bruder schob mir Honigbonbons rüber und animierte mich zum Schreiben. Doch was
sollte ich schon berichten, der Sommer war so trist gewesen? Da blieb die
Inspiration auf der Strecke.
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Keine Lust auf Honigbonbons |
„Na, dann sammel doch Kastanien
oder Pilze“, riet mir Gustav. Beinahe hätte ich ihm geantwortet: „Schieß
du doch in die Pilze“, aber ich bin ja ein freundlicher Bär, hielt also
meine Klappe: Burnout-Gustav, der immer in Action sein muss, würde ja doch nicht
verstehen, dass ich dazu erst recht
keine Lust verspürte. Da hätte ich mich
ja bewegen müssen.
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Kastanien und Eicheln sammelte ich früher gern |
So begann es im September. Dann
kam der goldenen Oktober, von dem alle begeistert waren, doch ich konnte das
Gold nicht erkennen. Der Sommer war schließlich vorüber und bald würden die
Blätter von den Bäumen fallen und die kahlen Äste würden sich gespenstisch in
den grauen Himmel recken. Und bald käme dann auch die Kälte über uns. Zeit für mich, in den
Winterschlaf zu gehen. Als ich das laut sagte, tippte sich Cara an die Stirn und
meinte: „Winterschlaf kommt noch früh genug. Geh mal nach draußen, das wird dir
guttun.“ Toller Rat, und das ausgerechnet von Cara, der Erfinderin des Joggens
und der langen Spaziergänge. Da hätte ich doch beinahe gelacht, wäre es nicht
so traurig gewesen, solche Ratschläge zu erhalten.
Ich hatte nun mal partout keine
Lust, mich von der Stelle zu bewegen. Also habe ich mich auf mein Kissen gesetzt und
mich hinter meiner Sonnenbrille versteckt, auch wenn gar keine Sonne schien.
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Ich will all das Elend nicht sehen |
Nach ein paar Tagen war mir dann
so richtig langweilig. Aber das konnte ich ja nicht zugeben, ohne meine Würde
zu verlieren. Doch es war schon verdammt anstrengend, nur dazusitzen und vor
sich hin zu denken. Oder auch mal gar nicht zu denken. Das ist ganz schön
schwierig. Mir ist es nicht gelungen. Kann ja jeder einmal ausprobieren, nichts
zu denken, so richtig gar nichts.
Mit einem Mal aber fand ich mich
ganz großartig. Wie toll ist das denn, ich kann, ich muss immer denken, denken,
denken! Ich, Zottel, bin eine Denkmaschine, sagte ich insgeheim zu mir. Dann
nahm ich meine Sonnenbrille ab und schaute – beglückt über diese Erkenntnis
– aus dem Fenster auf den Balkon hinaus
und staunte. Denn da hatte sich was getan, das ich beinahe – auf meinem
Ruhekissen sitzend – verdöst hätte. Die Chrysanthemen
vom vergangenen Jahr, sie waren im Balkonkasten zu wahren Büschen
herangewachsen. Wie gut, dass ich Cara im Frühjahr hatte überreden können, sie
nicht heraus zu rupfen und zu
kompostieren. Nun blühten sie in voller Schönheit.
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Meine Chrysanthemen - gerrettet! |
Einer der Büsche hat sogar etwas
ganz Besonderes hervorgebracht. Zwischen all den violetten Chrysanthemen blüht
eine in unschuldigem Weiß. Ich sah das als Zeichen, nicht nur dafür, dass ich
Recht behalten hatte mit dem Bewahren, sondern auch, dass die Zeit der
schwarzen Gedanken nun vorüber sei.
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Nur eine Blüte in schönstem Weiß |
Das musste ich jetzt unbedingt in
die Tasten hauen und meinen Lesern mitteilen, ganz nach dem Motto: Dear
friends, Zottel is back again! Oder auf Deutsch: Liebe Freunde, euer Zottel ist wieder da!