Zwillingsbrüder sind sich immer nah |
„Es ist
vollbracht!“, sagte mein Bruder Heinrich und atmete schwer, als habe er gerade
ein opulentes Mahl vertilgt. Ich finde zwar, solch große Worte stehen ihm nicht
zu, hielt aber ausnahmsweise mal mein Maul, denn Ostern war für uns alle zu
einer Herausforderung geworden, von der wir uns erst mal einen Tag erholen
mussten, mindestens einen.
Ostern schien die Sonne, sodass man dachte, es sei Sommer. Wie schön hätte man das feiern und genießen können. Doch es war verboten, wir mussten drinnen bleiben. Mit Wehmut dachten wir an den Teddybären-Picknick-Tag vor einem Jahr. Da hatten wir uns fast gestritten, was alles an Essbarem ins Körbchen sollte und ob wir nicht ein zweites Körbchen benötigten. In diesem Jahr hätten wir wahllos in den Schrank gegriffen und einpackt, als gäbe es kein Morgen mehr.
Ostern schien die Sonne, sodass man dachte, es sei Sommer. Wie schön hätte man das feiern und genießen können. Doch es war verboten, wir mussten drinnen bleiben. Mit Wehmut dachten wir an den Teddybären-Picknick-Tag vor einem Jahr. Da hatten wir uns fast gestritten, was alles an Essbarem ins Körbchen sollte und ob wir nicht ein zweites Körbchen benötigten. In diesem Jahr hätten wir wahllos in den Schrank gegriffen und einpackt, als gäbe es kein Morgen mehr.
Kein Picknick |
In ein
Restaurant gingen wir in diesem Jahr auch nicht, denn die Menschen hatten Angst
vor diesem Virus, das angeblich alle befallen und töten könnte, vor allem wenn
man sich zu nahe käme. Also blieben die Restaurants geschlossen, die Menschen
hielten voneinander Abstand und die meisten trugen sogar einen Mundschutz, als
wollten sie gleich am OP-Tisch das Skalpell in die Hand nehmen und lossäbeln.
Kurz gesagt, die Angst ging um und das Fest war keines, erst recht kein
kulinarisches. Für Heinrich, den passionierten Kochbuchleser, die Höchststrafe.
Cara trug es
anscheinend mit Fassung. Sie hatte Glück, dass ihre liebe Freundin Maria ihr
Essen brachte, und das auch noch aus einem ihrer Lieblingslokale, denn Take-away
war und ist erlaubt. Cara ließ sich also bedienen. Sie sollte schließlich nicht
viel nach draußen unter Menschen, zum einem wegen des Virus an sich, das den
Menschen zum Feind des Menschen gemacht hat, und zum anderen weil ihre
Chemotherapie noch nicht lange zurück lag. Bei all der Vorsicht, die sicher
nicht unbegründet ist, hat es mich doch verwundert, wie ängstlich die Menschen
plötzlich geworden sind. Sonst brauchen sie doch immer den Thrill, wie
beispielsweise beim Bungeespringen. Wir Tiere sind viel öfters Gefahren
ausgesetzt, durch Fressfeinde (betrifft uns Bären jetzt weniger) oder
wenn uns der Lebensraum genommen wird. Vielleicht mal darüber nachdenken, ihr lieben verschreckten Menschen!
Doch ich
glaube, einige tun das schon, Maria beispielsweise, oder sie hat ein großes
Herz, und das auch für Tiere. Sie hat nämlich nicht nur an Cara gedacht, sondern auch
für uns Bären Honig und Schokoladeneier mitgebracht. Ich sage es frei heraus,
sonst wäre das stupide Herumhocken auch unerträglich geworden.
Ob nun Festtag oder nicht, so hoffe ich doch, dass wir
bald wieder von den Einschränkungen befreit werden, raus dürfen, Freunde treffen, Nachbarn besuchen können, und dass die Nachbarn nicht denken, wir Tiere
übertragen das Virus. Die Fledermaus ist da im Ranking ja ganz schlecht weggekommen.
Wir Bären haben noch kein Bashing erfahren. Aber man kann nie wissen, was den
Virologen so einfällt. Ich bin jedenfalls auf der Hut.
Mein Bruder hat wie immer die Ruhe weg, sich
inzwischen wieder seinem Hobby zugewandt und ein neues Kochbuch bestellt. In
letzter Zeit hat er mit Cara fast jede Kochsendung im Fernsehen angeschaut, ob
die Poletto was brutzelte, der Mälzer oder alle Sterneköche gemeinsam. Nur vor Grill
den Henssler haben die beiden Halt gemacht. „Das Format gefällt mir nicht,
ist mir zu hektisch“, sagten beide unisono und nickten sich zustimmend zu. Ist
es nicht schön, wenn sich zwei so einig sind!
Dass Cara Kochsendungen schaute, war neu. Sie sah es
als Therapie an, um wieder Appetit zu bekommen. Denn nach der Chemo kriegte sie
keinen Bissen herunter, von Apfelsinen und Weintrauben mal abgesehen. Dass sie
Weintrauben mochte, fand ich nicht erstaunlich, denn schließlich
trinkt sie gerne Wein, wie meine Leser wissen. Doch auch Wein mochte sie in ihrer
schlechten Phase nicht. Heute lacht sie darüber, denn eines Abends machte sie ein
Tasting, das den Namen wohl kaum verdiente. Aus einer Mini-Flasche
halbtrockenem Dornfelder schenkte sie sich ein Gläschen ein, nahm zögerlich, fast
ängstlich, einen Schluck. „Geht“, murmelte sie, wobei ihre Mimik etwas anderes ausdrückte.
Nach einem zweiten kleinen Schluck meinte sie: „So, nun wird das Pülleken
wieder zugeschraubt und kommt ins unterste Regal.“ Ich wusste, wenn sie so
etwas sagt, geht es aufwärts mit ihrem Geschmack und ihrer Genesung.
Darum war es auch so schade, dass uns aufgrund des
Virus alles Schöne an den Festtagen verboten war. Ich wäre aber nicht Zottel,
würde ich in Trübsal versinken wie in einem halbvollen, klebrigen Honigfass. Durchhalten!
Nicht die Hoffnung verlieren! Cara lebte bis vor kurzem lustlos in den Tag hinein und erst als sie in
der letzten Woche den wunderschönen Vollmond – auch Wundermond genannt – gesehen hat, glaubt sie an eine Wende (Esoterik pur,
aber macht nichts!). Jetzt macht sie uns wuschig, weil sie nicht nur morgens unter
der Dusche, sondern – wann immer es sie überkommt – singt: „Der Mond ist
aufgegangen“. Glücklicherweise kann sie nur die ersten paar Zeilen, sonst wäre es
nicht auszuhalten bei ihrer Stimme, die so gar nichts von der einer Anna
Netrebko hat. Wenn es uns zu viel wird, stimmen wir brummbärig „Blue Moon“ an.
Sicherlich auch kein Ohrenschmaus und gut, dass Frank Sinatra das nicht mehr
hören muss.
Doch die Lieder sind so voller Hoffnung und die sollten die Menschen trotz des Virus nicht verlieren, sonst sind sie verloren.
Doch die Lieder sind so voller Hoffnung und die sollten die Menschen trotz des Virus nicht verlieren, sonst sind sie verloren.
Bäriger Rat: Geduld bewahren! |