Dienstag, 11. Juni 2019

Zottels und Heinrichs Geburtstag


Die Geburtstagsbären

Es war wieder so weit. Das große Ereignis stand bevor, Heinrichs und mein Geburtstag. Wir hatten schon ab Ende Mai die Tage gezählt. Mit  diesem Zwillingsgeburtstag war zwar auch die schmerzliche Erinnerung an unsere Trennung verbunden, aber letztlich überwog die Freude über das überraschende Wiedersehen vor sechs Jahren

Da in diesem Jahr unser Geburtstag auf den Pfingstsonntag fiel, nahmen wir das als gutes Omen. Bitte nicht denken, wir hätten viele oder gar teure Geschenke erwartet. Dennoch hatten wir das Gefühl, es würde etwas ganz Besonderes passieren.    

Ich hatte mich schon tagelang auf die leckeren Kuchen aus Monsieur Toddiers Pâtisserie gefreut. Heinrich meinte zwar, ich würde dann noch dicker. Doch er hatte das im Scherz gesagt, denn er mag diese Leckereien natürlich genauso gern wie ich.

Als endlich unser großer Tag da war, konnten wir es kaum erwarten, uns auf den Weg in die Pâtisserie zu machen. Beim Frühstück hatte ich nur sehr sparsam zugelangt und mein Bruder auch. Wir brauchten Platz im Bauch. Als wir Cara drängten, sich ein bisschen zu beeilen und Kuchen zu kaufen, wurde sie ganz blass. Oh je, im ersten Moment dachte ich, sie wird krank, hätte schwere Kreislaufbeschwerden. Doch sie fasste sich schnell wieder und vor allem an den Kopf: „Oh, shit!", rief sie aus. „Das habe ich ja völlig vergessen. Monsieur Toddier macht über Pfingsten Urlaub und fährt mit seiner Frau Anna nach Frankreich, um dort seine Eltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen zu besuchen. Denn in Frankreich halten die Familien noch zusammen, meistens jedenfalls. Und es wird viel gegessen.“ Ich sah geradezu, wie Monsieur Toddier seine Torten auf eine lange Tafel stellte und zu seinen Lieben sagte: „Et voilà, mes nouvelles créations“. 

Doch während ich meinen Träumen vom französischen Savoir vivre und ausgiebigem Tafeln nachhing, ging mir auf, dass das ja wohl für Heinrich und mich heute ein Fiasko gäbe und keinen Geburtstag wie sonst. Welch üble Überraschung! Und wer hatte Schuld? Cara. Sie hat mindestens drei Kalender, aber den Urlaub von Monsieur Toddier hatte sie nicht eingetragen oder sie hatte versäumt, in die Kalender zu gucken. Ich habe überhaupt keinen Kalender, brauche ich auch nicht, denn mein Gedächtnis arbeitet perfekt, wenn es um solch wichtige Dinge geht. 

Nachdem sich Cara der Panne bewusst geworden war, tat es ihr leid und sie tröstete uns damit, dass wir in Eppendorf in ein ganz, ganz schönes Café gehen würden. Die hätten dort auch wundervoll leckeren Kuchen und so würden wir mal was Neues kennenlernen. Heinrich sah mich an und sagte: „Haben wir eine Wahl?“ Ich antwortete: “Leider nein, aber wir sind ja flexibel, auch im Kopf.“ So machten wir uns auf in das Café, von dem Cara so schwärmte.

Als wir es betraten, kam die Bedienung freundlich lächelnd auf uns zu und fragte: „Haben Sie reserviert?“ Cara schüttelte den Kopf: „Nein es war ein spontaner Entschluss, da man Sie uns nun schon mehrfach so wärmstens empfohlen hat.“ Meine Güte, kann sie schleimen, dachte ich, sagte aber nichts. Die Bedienung sah sich um, schüttelte den Kopf und machte ein trauriges Gesicht: „Leider ist alles vorbestellt.“ Doch Cara ist so schnell nicht aus der Fassung zu bringen. Sie nahm die Hand der Bedienung und flüsterte: „Macht nichts, wir kommen dann ein anderes Mal.“ Ich dachte, ich hätte mich verhört und wollte schon ausrasten. Was sollte das denn werden? Die Bedienung steckte ihre Hände in die Tasche ihrer blütenweißen Servierschürze, wobei ihre Augen strahlten, als sie sagte: „Ach, das habe ich ja völlig übersehen, hier ist noch ein schöner Fensterplatz. Da hat gerade eine Familie abgesagt. Nehmen Sie doch bitte dort Platz. “  

Na, da hatten wir noch mal Glück gehabt. Von unserem Tisch aus hatten wir einen herrlichen Blick auf den hübsch bepflanzten Vorgarten und auch das Treiben im Café. Das Wichtigste aber war, der Kuchen schmeckte wirklich sehr lecker, wenn auch nicht im Entferntesten so gut wie der von Monsieur Toddier. Doch dieser kleine Mangel war nicht die Sache, die uns wirklich störte. 

Das Café war in der Tat gut besucht und wir konnten uns bei dem Stimmengewirr kaum unterhalten. So laut war es. Es waren Familien da mit vielen kleinen Kindern und die durften – wie auch auf unserer Fahrt nach Hannover – unbeaufsichtigt und kreischend zwischen den Tischen herumrennen. Cara machte gute Miene zum lauten Spiel, die Bedienung auch. Mir war besonders ein lebhaftes Mädchen aufgefallen, das seinen Stuhl immer mehr zum Kibbeln brachte, bis es mit dem Ellenbogen gegen die Kaffeetasse seines Vaters stieß, diese auf den Boden fiel und zerbrach. Der Vater brachte nur ein: "Janina, siehst du, das kommt davon!", hervor, worauf das Lockenköpfchen erst in Tränen ausbrach, dann wütend kreischte: "Es ist ja auch so scheiß eng hier!". Indessen kniete sich eine Aushilfskraft auf den Boden und beseitigte den Schaden, während der Vater Richtung Toilettenraum lief, um seine weiße Hose zu reinigen. 

Doch kurz danach kam Karl in Fahrt. Er war schon die ganze Zeit von seiner Mutter ermahnt worden, endlich mal für ein paar Minuten auf seinem Platz sitzen zu bleiben. Aber er raste weiterhin mit seinem Flugzeug in der Hand durch den ganzen Raum und spielte Pilot. Plötzlich ließ er das Flugzeug in den Sinkflug gehen. Es verhakelte sich dabei in der Schürzentasche der Bedienung, die gerade ein volles Tablett balancierte, auf dem ein Latte macchiato so kippelte, dass er das tat, was sein Name versprach. Er produzierte Flecken auf dem Tablett. Als Karl das Flugzeug wieder aus der Schürzentasche zog, hing oh Wunder – an einer Tragfläche ein 20-Euro-Schein.

Heinrich und ich sahen uns nur an und sagten nichts. Cara machte ein griesgrämiges Gesicht und grummelte: „Hier gehen wir nicht wieder hin. Ist ja nicht auszuhalten, diese unerzogenen Gören!“ Sie ließ sich dann schnell die Rechnung bringen, zahlte und wir fuhren nach Hause.

Es war schon ein sehr besonderer Geburtstag, aber das nächste Mal gibt es wieder Torte und Macarons von Monsieur Toddier. 
So sehen Torten von Monsieur Toddier aus
Oder Cara muss bis dahin lernen, schöne Torten zu zaubern. In Erinnerung an den Besuch in diesem Café kriegt sie das garantiert gebacken.

Dienstag, 4. Juni 2019

Zottel bringt Coco in die Klinik



Coco  - noch gesund und fit
Mein Freund Coco hat ein Problem. Er hat ganz offensichtlich einen Riss in der Schulter und – wie sich alle vorstellen können – heftige Schmerzen. 

Leo meinte, er solle sich nicht so affig anstellen. Da bin ich aber gepflegt ausgerastet und habe ihm eins auf die Nase gegeben. Sieht jetzt etwas schief aus, seine Nase. Von wegen: Gut gebrüllt, Löwe!
Da gab's was auf die Nase

Sonst bin ich eher der friedliche Typ, meine ich jedenfalls, aber da hat es mir gereicht. Ich weiß nämlich genau, wie sehr so etwas schmerzt. Eine unserer Nachbarinnen musste auch an der Schulter operiert werden. Noch Wochen später war das nicht ganz in Ordnung. Keine Krankheit für Ungeduldige.

Ich habe Cara, die Cocos Problem noch nicht erkannt hatte, schnell die Wunde gezeigt. Meinen Lesern zeige ich die Wunde nicht, damit zarten Gemütern nicht schlecht wird. Ich fragte mich allerdings auch, wieso Cara so etwas nicht schon längst entdeckt hatte. Wenn es ums Shoppen geht, da wird jede noch so kleine Tasche mit Glitzerkram sofort bemerkt und mit strahlenden Augen bewundert.

Cara hatte schnell begriffen, dass es mit meiner Stimmung nicht zum Besten stand, und meinte knapp: „Das muss genäht werden.“ Als ich erleichtert aufatmete, weil ich dachte, dann könne sie das ja tun, bekam ich zu hören: „Nee, Sticheleien liegen mir nicht.“ Da ich den Eindruck hatte, sie wolle sich vor der Verantwortung und auch der Arbeit drücken, habe ich sie bei der Hand genommen und von einer zur anderen Stickerei geführt, die hier hängen und sehr wohl von ihr gestichelt wurden. 
Indios in Kreuzstich. Ich höre geradezu, wie
sie auf der Panflöte "El Condor pasa" spielen.
Jetzt geht es Stich für Stich nach Japan
Cara hat auch einen Vogel
Doch da hat sie nochmals mit dem Kopf geschüttelt und mich belehrt: „Zottel, das sind andere Stiche. Nur Mediziner können eine solche Wunde mit einem ganz, ganz dünnen Faden und einer speziellen Stichtechnik verschließen.“ Ich fragte mich, ob sie sich nun dumm herausreden wollte oder Recht hatte. 

Doch dann kam sie flink mit einem Rat um die Ecke, denn herzlos ist sie nicht. Im Internet hatte sie gelesen, dass im vergangenen Jahr, das Uniklinikum Eppendorf bei einem Straßenfest Teddybären versorgt hatte. Ganz groß stand da: Teddybärenklinik Hamburg. "Dann werden die das ja wohl ständig tun", mutmaßte sie. "Wäre ja sonst sehr seltsam." Das klang zwar logisch, aber wer will schon auf der Straße behandelt werden, außer in einem Notfall? 

Also machte ich mich ebenfalls auf die Suche und fand, dass es seit kurzem in Hannover eine Klinik gibt, die Stofftiere behandelt. Das fand ich cool, denn so würde nicht nur Coco geholfen, wir würden auch mal wieder mit der Bahn fahren. Cara war nicht so begeistert, obwohl ja Hannover ihre Heimatstadt ist. Aber sie mag nicht gern mit der Bahn fahren. Nein, es wird ihr nicht schlecht von dem Geruckel. Doch die Bahn hat oft Verspätung und es kann voll sein und für Gepäck ist auch nicht immer genügend Platz und es wird laut telefoniert im Großraumwagen und die kleinen Kinder dürfen kreischend herumlaufen. Das alles nervt sie. Sie regt sich eben schnell auf. Und so sagte sie mit ernster Miene zu mir: "Wenn ein Kind dich ansieht und sagt: "Oh, ist das aber ein süßer Teddy!", dann drehst du dich gefälligst weg oder machst ein abweisend böses Gesicht." 

Dazu sage ich jetzt mal nichts, denn letztlich konnte ich sie zu der Fahrt überreden. Schließlich musste Coco geholfen werden. Also ab nach Kassel! Ach nee, so weit müssten wir ja gar nicht fahren. Ab nach Hannover! Ich bin gespannt, was uns dort erwartet außer der Hilfe für Coco. Ich setze auch ein bisschen auf einen Besuch im Zoo, denn da befindet sich die Klinik. Vielleicht gibt es dort auch Bären und vor allem Affen, mit denen Coco sich unterhalten kann. Dann wird er bestimmt wieder schnell gesund. 

Und zum Schluss spendiert uns Cara garantiert ein Eis. Man muss Wunden kühlen und erregte Gemüter auch.