Sonntag, 26. Oktober 2014

Kein Dank, das ist eine bittere Ernte


Vor drei Wochen haben wir Erntedank gefeiert, wobei wir nicht wörtlich zu nehmen ist, denn hier fand zum ersten Mal nichts statt. Wenn man mich fragt, ist das sehr undankbar, denn es gibt auf dieser Welt viele Menschen und auch Tiere, die nichts zu essen haben. Da sollte man doch mal ein kleines Dankeschön für das Essen haben und diesen Tag feiern. 

Alle Jahre zuvor war der Tisch schon morgens liebevoll gedeckt. Es gab leckeres knuspriges Brot, weil die Getreideernte so gut ausgefallen war, Walnüsse, Birnen und Trauben, die süß schmecken oder auch berauschen, wenn man daraus Wein macht. Abends gab es als Höhepunkt stets ein leckeres Kartoffelgericht nach spanischer Art, das mein Bruder Tortilla nennt. Vor allem aber stand immer eine große Schale mit vielen verschiedenen Äpfeln auf dem Tisch, sodass Eva sich vor Freude gar nicht mehr eingekriegt hätte. Sie hätte nämlich nicht gewusst, mit welchem dieser Exemplare ihr Adam am leichtesten zu verführen gewesen wäre. Doch in diesem Jahr noch nicht mal Äpfel.

Da konnte ich nicht anders und fragte Cara, ob sie denn keine Lust hätte, wie einst Eva jemanden mit einem schönen rotbackigen Apfel zu verführen. Ihre Antwort kam schnell: „Zottel, spinn nicht herum! Außerdem habe ich seit Kurzem eine Apfelallergie. Wenn ich nur ein Stückchen esse, bekomme ich einen dicken Hals.“ Einen dicken Hals hatte ich inzwischen auch. Warum war sie so unfreundlich zu mir? Konnte ich das ahnen, dass sie mit einem Mal allergisch auf Äpfel reagiert und deshalb sauer ist? Und sie ließ in ihrer üblen Laune nicht locker: „Die Dinger kommen mir jedenfalls nicht mehr ins Haus. Ich will ja nicht wie Schneewittchen enden.“ Mit Märchen kennt sie sich auch nicht aus, denn Schneewittchen wurde schließlich gerettet. Kurz gesagt, die Stimmung war im Eimer.

Mein Bruder dagegen blieb ganz entspannt, hat nur große Augen gemacht und den Kopf geschüttelt. Ich weiß nicht, ob wegen der verpesteten Stimmung im Haus oder wegen der Unwissenheit. Denn in Sachen Essen macht man ihm so schnell nichts vor. So hatte er gelesen, dass es auch Äpfel für Allergiker gibt, ganz bestimmte alte Sorten müssen es sein. Cara guckte ungläubig, doch dann hat er ihr im Internet einen Kalender gezeigt. Da waren wunderschöne Äpfel zu sehen, an die sich auch Menschen wagen dürfen, die sonst Äpfel nicht vertragen.   

Doch Cara wäre nicht Cara, hätte sie eingelenkt. Sie sagte nur: „Nee, Heinrich, lass mal. Ich geh auf Nummer sicher und nehme Trauben zu mir.“ Und schwupps entkorkte sie eine Flasche Rotwein und goss sich ein großes Glas ein. Um ehrlich zu sein, das war gar keine schlechte Idee. Im Nu hatte sich ihre Laune verbessert und sie meinte entschlossen: „So, jetzt holen wir was nach.“ Dann schälte sie Kartoffeln und briet uns eine ganz tolle Tortilla, an der selbst mein Bruder nichts zu kritisieren hatte. Als Nachtisch gab es dann zwar keine Äpfel, aber Eis aus dem Gefrierfach. Erntedank eben mal anders.   

Montag, 13. Oktober 2014

Der Froschkönig und Gerechtigkeit


Gestern hatte Cara Besuch von ihrer Freundin Biggie, auch die Shopping-Queen genannt. Ich mag Biggie gern, denn sie ist immer guter Stimmung, vor allem da solch ein gemeinsamer Abend nie ohne  mehrere Gläser Wein abgeht. So auch gestern. Cara hielt triumphierend und gut gelaunt eine Flasche Rosé hoch und meinte: „Rosé-Wein ist der neue Prosecco“. Mein Bruder schielte gleich um die Ecke, um zu erspähen, was es denn zu essen gäbe. Cara hatte nur einen Salat gemacht, Brot und Oliven hingestellt. Das war alles. Für meinen Bruder war das natürlich unbefriedigend. Er versteht die Frauen nicht, die immer auf ihre Linie achten müssen oder zumindest wollen.

Mich interessierte weniger, was auf dem Tisch stand, sondern eher was am Tisch gesprochen wurde. Doch dummerweise wurden gestern die Stimmen immer leiser und bald ging auch die Tür zu.  Jeder weiß, solch eine Geheimniskrämerei weckt Neugierde, jedenfalls bei mir. Also legte ich mein Ohr an die Küchentür. Ich weiß, das macht man nicht, aber es war mir egal. Hätte ja sein können, dass das Thema auch mich betraf. Kann man schließlich nicht wissen.

Biggie kann ihre Stimme ja nie runtertunen, das liegt in ihrem Naturell. Also hatte ich Glück und konnte einige Gesprächsfetzen erhaschen. Es ging um Männer, um Biggies Exfreund Mickey. Wer so heißt, ist schon mal von vornherein eine lächerliche Figur, so was sollte eine Frau erkennen. Wer will schon mit Mickey Mouse in Verbindung gebracht werden, so als Mann! Also war ich nicht verwundert, dass eben dieser Mickey Biggie nach Strich und Faden belogen und betrogen hat. Die genaueren Umstände konnte ich leider nicht erfahren, denn zwischen meinen Ohren (oh, jetzt hätte ich gern die von Mickey gehabt!) und den Stimmen lag die dicke geschlossene Küchentür. Ich hörte nur, wie Biggie zu Cara sagte: „Denk mal an deinen Jean-Luc, diesen Vollpfosten. Mit dem hattest du auch das große Los gezogen und hast ihm doch ewig hinterhergetrauert.“ 

Nun ja, an diesem Abend kamen die Männer nicht gut weg, was ich ein bisschen ungerecht fand. Denn auch Frauen sind keine Engel. Man denke nur an die Loreley, macht den Fischer verrückt mit ihrem Gesang. Der spielt den Hans Guck-in-die-Luft und fährt rumms auf einen Felsen. Nirgends steht geschrieben, dass sie mit ihm Mitleid hatte, oder?

Ein anderes Beispiel fällt mir aus den Märchen ein, für die ich mich übrigens sehr interessiere, denn ich finde, sie enthalten viel Wahrheit. Also, bitte mal an den Froschkönig denken! Die schöne verwöhnte Königstochter hatte mit dem Frosch einen mündlichen Vertrag geschlossen: Er bringt ihr die goldene Kugel – sie gibt ihm einen Kuss und er darf auch in ihr Bettchen. Er hat sein Versprechen gehalten, sie ihres nicht. Und wer Vereinbarungen nicht erfüllt, wird bekanntlich bestraft. 

Wer ist der wahre Froschkönig?
Ich bin mir sicher, dass seitdem alle Frauen für die Königstochter büßen müssen, da können sie machen, was sie wollen. Nur leider haben sie das noch nicht gerafft. Sie hoffen immer noch, ein Frosch möge ein schöner Prinz werden, wenn sie nur fest genug daran glauben. Leider funktioniert das in den seltensten Fällen. 

Öfters jedoch passiert es, dass sie einem vielversprechenden schönen Prinzen begegnen, der sich irgendwann aber doch als Frosch entpuppt. Und so spielen sie ein Leben lang das Quiz: Wer ist der wahre Froschkönig?

Übrigens, sollte ich mal den Rhein entlangschippern, dann, liebe Loreley, werde ich mir Watte in die Ohren stecken. Ich bin ja nicht blöd. 



Freitag, 3. Oktober 2014

Was ist Glück?


Tag der Deutschen Einheit - die Brücke
Cara sagte heute Morgen: „Was für ein Glück, dass in diesem Jahr der 3. Oktober auf einen Freitag fällt!“ Um ehrlich zu sein, mir ist es egal, auf welchen Wochentag der Tag der Deutschen Einheit fällt und ich habe sie nur fragend angesehen. „Guck nicht so! Das ist doch ganz logisch, so können alle eine Brücke bauen.“ 

Ich lasse mir nicht gern logisches Denken absprechen, verstand aber trotzdem nicht, warum alle mit einem Mal zu Brückenbauern werden wollten. Also habe ich nach Loriots Manier nur knapp „Ah, ja!“ gesagt und darüber nachgedacht, ob ich zu meinem Glück jetzt auch etwas bauen müsste. Für mich ist es schon ein großes Glück, wenn mein Freund Fritz mir mal wieder ein Lachsfilet oder ein paar Honigbonbons schenkt. Damit jetzt niemand denkt, ich sei nur an Essen interessiert, denn das ist ja eher die Vorliebe meines Bruders, ich bin auch glücklich, wenn die Sonne scheint und mir den Pelz wärmt, das Freiburger Bärle zu Besuch kommt und mein Bruder gesund ist. 

Doch irgendwann war meine Neugierde größer als mein Stolz und ich habe Cara gefragt, welche Brücke sie denn meine. Schließlich will ich wissen, wenn hier in der Stadt etwas Neues entsteht, das meistens recht spektakulär ausfällt, so wie die Elbphilharmonie. Und ich war auch davon ausgegangen, dass man erst mal dieses Bauwerk vollenden wollte, bevor man sich in das abenteuerliche Projekt einer neuen Brücke stürzt. Denn in dieser Stadt gibt es schon sehr, sehr viele Brücken, da kann sich Venedig mal warm anziehen. Das nur so als Information. Aber ich bin natürlich kein Städteplaner, die werden schon ihre Gründe für eine weitere Brücke haben, an der alle mitarbeiten dürfen. Vielleicht ist es ja auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gedacht für Arbeitslose. Die würde das natürlich freuen und somit erklärt sich auch das, was Cara als Glück bezeichnet. Dennoch verstand ich den Zusammenhang mit dem 3. Oktober immer noch nicht.

Als ich Cara sagte, was mir so durch den Kopf ging, machte sie nur wieder Dackelfalten und meinte: „Zottel, du denkst zu viel.“ Oh, ich wusste nicht, dass denken schadet. Doch Cara erklärte mir: „Eine Brücke bauen bedeutet doch nur, dass ein Feiertag so günstig liegt, dass er direkt an ein Wochenende anschließt oder ihm vorausgeht. Dann freuen sich alle, dass sie sich so lange ausruhen können und nicht arbeiten müssen.“

Jetzt hatte ich es begriffen. Glück bedeutet faul sein, nichts tun, abhängen, chillen, und das möglichst viele Tage am Stück. Das kann ich gar nicht glauben und erst recht nicht verstehen. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich noch nicht schreiben konnte. Da hat mich Langeweile geplagt und ich bin oft auf dumme Gedanken gekommen, auch wenn ich sie damals als gar nicht so dumm empfand. Doch heute sehe ich ein,  ich  hatte so was wie ein Bore-out, also so was Ähnliches wie ein Burn-out. Ich jedenfalls brauche keine Brücke. Ich bin glücklich, wenn ich bloggen kann. Da vergesse ich alles um mich herum. Deshalb schreibe ich auch am 3. Oktober, was die Tasten hergeben. Das ist für mich chillen im Glück.
Honigbonbons schmecken auch beim Bloggen