Freitag, 15. Januar 2021

Januar, der Monat für reduzierte Ware und für Befriedigung der Gier

Die Gier schlägt wieder zu
Der Januar ist für Cara stets der Monat, um zu sparen, d.h. Geld auszugeben im Sale. Das ist nicht neu und ich hatte darüber schon einmal geschrieben. Neu war in diesem Jahr nur, dass sie nicht mit einer Freundin von Geschäft zu Geschäft ziehen konnte, denn wir leben immer noch im Lockdown.

Nun könnte man denken, sie hätte schlechte Laune, weil ihr das in diesem Jahr so richtig vermiest wurde. Aber nein, es gibt ja das Internet und man kann online Schnäppchen machen. Und das tat Cara dann auch mit Feuereifer. Richtig rote Wangen hatte sie, als ob sie zu viel Rouge aufgelegt hätte. Doch sobald ein von ihr begehrtes Teil nicht mehr verfügbar war oder sich die Seite nicht schnell genug aufbaute, wurde sie unruhig und sagte voller Unmut: "Der Friedrich, der Friedrich, das ist ein arger Wüterich." Ich war etwas verwundert und fragte mich, warum sie gerade an den Struwwelpeter und den bösen Friedrich beim Online-Shopping  dachte. Ich traute mich aber nicht, sie zu stören, denn sie war schließlich im Kaufrausch. Doch endlich lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und seufzte: „Nur noch  zwei Shops besuchen, dann habe ich alle Geburtstagsgeschenke für 2021 zusammen. Juchhu!“

Doch das sollte ihr nicht gelingen, denn plötzlich klingelte es und sie wurde in ihrem Kaufwahn gestört. Ächzend wie eine uralte Frau erhob sie sich von ihrem Schreibtischstuhl und öffnete die Tür. Überraschungsbesuch von Sven. Nein, Sven ist nicht ihr Neuer. Er ist der Enkel von Nachbarn aus dem Nebenhaus und er kommt ab und zu mal vorbei. Ich habe mich oft gefragt, was die beiden verbindet, denn unterschiedlicher können zwei Menschen nicht sein, er ist jung, 14 Jahre, sie ist – nein das schreibe ich jetzt nicht –, sagen wir, sie ist reifer. Sven ist mit 189 cm recht groß, sie ist 152 cm klein. Er hat glattes braunes Haar, sie blonde Locken. Er geht noch zur Schule, sie weiß gar nicht, was heute in der Schule so los ist.   

Auch wenn sich Cara gestört fühlte, bat sie Sven herein, fragte aber sogleich: „Hast du kein Homeschooling?“ – „Nö, der Server ist im Eimer.“ Dann druckste er ein bisschen herum und fragte – nein, nicht etwa, ob Cara ihm bei Mathe helfen könne –, sondern ob sie Lust hätte, mit ihm Monopoly zu spielen. Das ist es nämlich, was die beiden verbindet. Cara stellte sofort den PC aus, holte das Spiel hervor, bei dem – nur falls es jemand nicht kennt – es um Grundstücks- und Häuserkauf geht, also darum, möglichst viel Geld zu scheffeln und seine Gier zu befriedigen. 

Kaufen, kaufen, kaufen, reich werden!

Während Sven das Spiel aufbaute, holte Cara die restlichen Weihnachtskekse hervor. Sven fragte höflich: „Darf ich?“ und machte auch schon den Rollgriff bei den Zimtsternen. 

Die restlichen Weihnachtskekse 
 
Zwei Stunden später saßen die beiden immer noch am Küchentisch und ich hörte Sätze wie: „Eh, selbst mit deiner Schlossallee treibst du mich noch lange nicht in den Ruin. Ich habe zwei Häuser auf der Theaterstraße und ein Hotel auf dem Opernplatz. Wetten, da tappst du gleich drauf?!“ Sven meinte lachend: „Voll krass, jetzt bist du erst mal im Gefängnis und kannst nicht über Los und die 4.000 Euro einsacken.“ Die beiden waren im Geldrausch wie ehemals die Goldschürfer in Amerika. Ich frage mich immer, woher diese Gier nach dem Geld kommt, und sei es auch nur Spielgeld.

Während ich noch so vor mich hindachte, klingelte es erneut. Vor der Tür stand Svens Oma und ließ verlauten: „Zottel, wenn Sven bei euch ist, dann sage ihm bitte, der Server geht wieder und er muss ja noch die Matheaufgaben machen.“ Sven maulte: „Immer wenn ich gerade eine Glückssträhne habe, dann geht dieser Scheißserver wieder. Mathe ist sowieso völlig uncool.“ Cara lenkte tröstend ein, sie habe Mathe früher auch gehasst, aber da müsse er jetzt durch. Sie versprach, das Spiel auf dem Küchentisch so stehen zu lassen, bis sich der nächste Serverausfall zeige, dann könnten sie weiterspielen. Sven marschierte mit seiner Oma und hängenden Ohren zu den verhassten Matheaufgaben.

Nun hatten wir keinen Tisch mehr, an dem wir essen konnten. Das mit der Geldgier ging mir allmählich auf die Nerven. "Ich habe eine ganz tolle Idee", meinte Cara voller Begeisterung. "Essen findet heute im Wohnzimmer statt, und zwar genau wie ursprünglich im Iran." Na, da waren wir aber gespannt. Sie breitete eine große Decke aus – auch Sofreh genannt, wie wir erfuhren – und stellte darauf die Esswaren ab. Es gab Tee aus bunten Gläsern, wobei mein Bruder und ich lieber Kakao oder Saft getrunken hätten, aber wir sind ja keine Spielverderber. Wir setzten uns rings um die Decke und hatten dann doch großen Spaß am orientalischen Lebensgefühl. Viele Lichter und eine Lampe wie aus Tausendundeiner Nacht gab es zur Feier des Tages auch.

Eine Lampe wie aus Ali Baba und die vierzig Räuber

Ein Hauch von Orient

Nur fehlten leider die Speisen aus dem Orient, sieht man mal von Oliven, Nüssen und Datteln ab. Das nächste Essen sollte aber original persisch ausfallen, versprach uns Cara, denn sie hatte sich von meinem Bruder sein Kochbuch über persische Mezze geschnappt und darin voller Begeisterung geblättert. 

Na, da bin ich mal gespannt auf Börek mit Schafkäse, Tabule, Kuku Sabzi, vor allem aber auf Halva und andere Shirini. Ob sie das wohl gebacken kriegt?

Cara strahlte jedenfalls und meinte: „Nicht nur, dass ich heute beim Online-Kauf viel Geld gespart habe, jetzt brauche ich auch nicht mehr in den Iran zu reisen. Wieder was gespart.“ Dann murmelte sie so etwas wie „Nushedjan“ und erklärte, das sage man im Iran und es bedeute „Guten Appetit“.

Na, dann Mahlzeit, vorerst mit deutscher Wurst und deutschem Brot!