Zottel und Heinrich - Bruderliebe |
Nun hatte ich gerade meine
Unlustphase überwunden, da saß mit einem Mal mein Bruder reglos am Frühstückstisch und
stierte auf den Honig, das Brot, die Butter und was sonst noch so alles auf
dem Tisch stand und sagte kein Wort.
Klare Sache, jetzt war er depressiv geworden,
denn wenn Heinrich nicht freudig beim Essen zulangt, dann muss man sich Sorgen
machen. „Na, heute keinen Appetit? Oder ist meinem Gourmet-Bruder die Auswahl
zu karg?“, fragte ich bewusst provokant,
um ihn aus der Reserve zu locken. Heinrich seufzte nur: „Wenn es nur das wäre!“
– „Geht es vielleicht etwas genauer?“, hakte ich nach. „Ach, wir müssen alle
sterben“, klagte Heinrich. Meine Güte, das war nun wirklich keine neue
Erkenntnis! Deshalb das Essen aufzugeben erschien mir allerdings nicht der
richtige Weg. Alle kennen schließlich die Geschichte vom Suppenkasper.
Doch Kasper war für mich auch gleich das
Stichwort. Ich hatte gerade mal wieder von Dr. Eckart von Hirschhausen gehört, der
das ja nicht oft genug betonen kann, man müsse den Clown spielen, wenn man jemanden
aufmuntern will. Auch wenn ich keine rote Nase zur Hand hatte, so versuchte ich
es auf andere Weise. Ich patschte absichtlich
tapsig auf mein Honigbrot, verklebte mir mein Fell und hinterließ auf dem Tisch
eine gehörige Sauerei. Was macht man nicht alles, um jemanden zum Lachen zu
bringen!
Leider zeigte meine Clownsnummer
keine Wirkung. Heinrich guckte weiterhin traurig auf seinen leeren Teller. Da
hat es mir gereicht und ich brüllte ihn an: „Nun mach gefälligst das Maul auf
und sage, was dich bedrückt.“ – „Brüll mich nicht an!“, bekam ich zur Antwort. „Hättest du gestern die
Sendung scobel gesehen, wäre auch dir der Appetit vergangen. Die
Lebensmittelindustrie verseucht unser ganzes Essen. Überall tun die was rein,
was eklig ist und da nichts zu suchen hat und was uns dann krank macht, Mensch
und Tier.“ Er seufzte tief und meinte: „Und
ich hatte gerade begonnen, für uns ein supertolles Advents- und Weihnachtsmenü
zusammenzustellen. Einen schönen Gänsebraten sollte es geben.“
Nun hatte ich die Sendung nicht gesehen. Was sollte ich also sagen? Doch
mit der Gans konnte ich behilflich sein und meinte strahlend: „Nun mach dir nicht
allzu große Sorgen. Ich kenne da eine Adresse, die ziehen die Gänse ganz natürlich auf. Wenn wir die da kaufen, dann sind wir auf der sicheren Seite und
essen Weihnachten was ganz Gesundes.“ Heinrich schaute mich erstaunt an und
fragte: „Woher weißt du denn das? Du interessierst dich doch erst fürs Essen, wenn es schon fertig angerichtet auf
dem Tisch steht.“ – „Tja, mein lieber Bruder, im Internet findet man so Einiges,
wenn man wie ich viel recherchiert“, erwiderte ich voller Stolz auf mein Wissen.
Heinrich erwachte aus seiner Lethargie, folgte mir an mein Notebook und wir
machten uns auf die Suche, nicht nur nach dem gesunden Federvieh, sondern auch
nach Adressen von Landwirten, die allgemein auf Bio setzen. Da würden wir bestellen und Cara müsste zahlen.
Nach einer Weile strahlte Heinrich
mich an und meinte: „Eines ist sicher, Weihnachten essen wir gesund und werden
überleben. Und weil das so ist, lass uns jetzt schnell in den Keller gehen und den
Weihnachtsschmuck hochholen.“
Bäriger Weihnachtsschmuck |
Meine Güte legte er einen Zahn zu,
und das auf nüchternen Magen. Da war ich nun gar nicht drauf vorbereitet. „Lass
mich schnell noch vorher den Honig aus meinem Fell duschen“, wandte ich ein.
Heinrich grinste und sagte spöttisch: „Was kleckerst du auch so herum?! Tischmanieren
müssen wir noch üben, was?!“
Eines habe ich daraus gelernt, die
Clownsrolle liegt mir nicht, aber mit meinem Wissen über das, was einen Depressiven interessiert, kann ich punkten. Vielleicht sollte ich das
mal Herrn Dr. von Hirschhausen schreiben, so als neuen Therapieansatz.