Montag, 13. November 2017

Wenn es dem Gourmet nicht mehr schmeckt


Zottel und Heinrich - Bruderliebe

Nun hatte ich gerade meine Unlustphase überwunden, da saß mit einem Mal mein Bruder reglos am Frühstückstisch und stierte auf den Honig, das Brot, die Butter und was sonst noch so alles auf dem Tisch stand und sagte kein Wort. 

Klare Sache, jetzt war er depressiv geworden, denn wenn Heinrich nicht freudig beim Essen zulangt, dann muss man sich Sorgen machen. „Na, heute keinen Appetit? Oder ist meinem Gourmet-Bruder die Auswahl zu karg?“,  fragte ich bewusst provokant, um ihn aus der Reserve zu locken. Heinrich seufzte nur: „Wenn es nur das wäre!“ – „Geht es vielleicht etwas genauer?“, hakte ich nach. „Ach, wir müssen alle sterben“, klagte Heinrich. Meine Güte, das war nun wirklich keine neue Erkenntnis! Deshalb das Essen aufzugeben erschien mir allerdings nicht der richtige Weg. Alle kennen schließlich die Geschichte vom Suppenkasper. 

Doch Kasper war für mich auch gleich das Stichwort. Ich hatte gerade mal wieder von Dr. Eckart von Hirschhausen gehört, der das ja nicht oft genug betonen kann, man müsse den Clown spielen, wenn man jemanden aufmuntern will. Auch wenn ich keine rote Nase zur Hand hatte, so versuchte ich es auf andere Weise. Ich patschte absichtlich tapsig auf mein Honigbrot, verklebte mir mein Fell und hinterließ auf dem Tisch eine gehörige Sauerei. Was macht man nicht alles, um jemanden zum Lachen zu bringen! 

Leider zeigte meine Clownsnummer keine Wirkung. Heinrich guckte weiterhin traurig auf seinen leeren Teller. Da hat es mir gereicht und ich brüllte ihn an: „Nun mach gefälligst das Maul auf und sage, was dich bedrückt.“ – „Brüll mich nicht an!“,  bekam ich zur Antwort. „Hättest du gestern die Sendung scobel gesehen, wäre auch dir der Appetit vergangen. Die Lebensmittelindustrie verseucht unser ganzes Essen. Überall tun die was rein, was eklig ist und da nichts zu suchen hat und was uns dann krank macht, Mensch und Tier.“  Er seufzte tief und meinte: „Und ich hatte gerade begonnen, für uns ein supertolles Advents- und Weihnachtsmenü zusammenzustellen. Einen schönen Gänsebraten sollte es geben.“

Nun hatte ich die Sendung  nicht gesehen. Was sollte ich also sagen? Doch mit der Gans konnte ich behilflich sein und meinte strahlend: „Nun mach dir nicht allzu große Sorgen. Ich kenne da eine Adresse, die ziehen die Gänse ganz natürlich auf. Wenn wir die da kaufen, dann sind wir auf der sicheren Seite und essen Weihnachten was ganz Gesundes.“ Heinrich schaute mich erstaunt an und fragte: „Woher weißt du denn das? Du interessierst dich doch erst  fürs Essen, wenn es schon fertig angerichtet auf dem Tisch steht.“ – „Tja, mein lieber Bruder, im Internet findet man so Einiges, wenn man wie ich viel recherchiert“, erwiderte ich voller Stolz auf mein Wissen. Heinrich erwachte aus seiner Lethargie, folgte mir an mein Notebook und wir machten uns auf die Suche, nicht nur nach dem gesunden Federvieh, sondern auch nach Adressen von Landwirten, die allgemein auf Bio setzen. Da würden wir bestellen und Cara müsste zahlen. 

Nach einer Weile strahlte Heinrich mich an und meinte: „Eines ist sicher, Weihnachten essen wir gesund und werden überleben. Und weil das so ist, lass uns jetzt schnell in den Keller gehen und den Weihnachtsschmuck hochholen.“ 
Bäriger Weihnachtsschmuck
Meine Güte legte er einen Zahn zu, und das auf nüchternen Magen. Da war ich nun gar nicht drauf vorbereitet. „Lass mich schnell noch vorher den Honig aus meinem Fell duschen“, wandte ich ein. Heinrich grinste und sagte spöttisch: „Was kleckerst du auch so herum?! Tischmanieren müssen wir noch üben, was?!“

Eines habe ich daraus gelernt, die Clownsrolle liegt mir nicht, aber mit meinem Wissen  über das, was einen Depressiven interessiert, kann ich punkten. Vielleicht sollte ich das mal Herrn Dr. von Hirschhausen schreiben, so als neuen Therapieansatz.