Dienstag, 30. Juli 2013

Seltsamer Besuch aus der Schweiz


Justin aus der Schweiz
Seit dem Wochenende haben wir Besuch aus der Schweiz. Nein, eigentlich ist das so nicht richtig, aus meiner Sicht haben wir einem Flüchtling Asyl gewährt. Unsere Nachbarn Robert und Silvie hatten am Baseler Flughafen einen umherirrenden Biber aufgegriffen. Er wollte nach Deutschland, möglichst in den Norden, weit weg von der Schweiz, fand aber das Abfluggate nicht. Angeblich.

Ich will ja nichts sagen, aber Leichtgläubigkeit wird gern ausgenutzt. Silvie, die ja nie ohne Rucksack reist, hat Justin schnell darin versteckt. Das Mitschmuggeln kenne ich auch. Doch bei mir war das ganz was anderes, schließlich hatte ich nichts auf dem Kerbholz, sondern war auf dem Weg nach Ligurien. Wenn man mich fragt, suchte der Biber nämlich einen Dummen, der ihn mit über die Grenze nimmt.

Als sich die Gelegenheit bot, habe ich heimlich sein Gepäck durchsucht. Ich weiß, das macht man nicht, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen. Als erstes fand ich Schokolade, viele Täfelchen mit Motiven aus der Schweiz. Wahrscheinlich seine Notration für alle Fälle oder ein Souvenir aus seiner Heimat, falls er Heimweh bekommt. 
Gute Schoggi hat's in der Schweiz

Sonst enthielt es nichts Auffälliges, keinen Schnee, auch wenn er mit seiner dicken Mütze und dem Schal so aussieht, als wolle er gleich auf die Piste. Diebesgut in Form von Uhren hatte er auch nicht dabei. Das war wiederum schade, denn eine Jaeger-LeCoultre hätte ich ihm gern billig abgekauft. Sage jetzt keiner was von Hehlerware, es wäre ein tolles Weihnachtsgeschenk für Cara geworden. So muss sie weiterhin ihre alte Swatch tragen. 
Caras alte Swatch

Allerdings bekam ich immer mehr Zweifel, ob sie überhaupt noch weiß, was die Stunde geschlagen hat. Während ich mir Gedanken machte, ob der Biber ganz sauber ist, ließ sie das alles kalt. Sie beschloss, er dürfe ruhig bleiben, wenn er wolle. Und natürlich wollte er. Sie sagte: „Hier geht es inzwischen ohnehin drunter und drüber. Auf einen mehr oder weniger kommt es da nicht mehr an. Die Regie über das Ganze habe ich doch schon längst verloren.“ Ich war ein bisschen verwundert. Das klang nach Resignation und so schnell gibt sie sonst nicht auf.  

Doch eines stimmt, die Zeiten haben sich geändert. Als sie noch mit Jean-Luc befreundet war und der Schleimer ihr hier seine Aufwartung machte, da war ich noch allein und es gab klare Regeln. Kam Jean-Luc, musste ich von der Bildfläche verschwinden. Sie hat mich zwar nicht wie Harry Potter in eine Kammer gesperrt, aber ich saß in einer Zimmerecke, direkt hinter dem Sofa, wo mich niemand entdecken konnte. Als ob sie sich für mich hätte schämen müssen! Wenn ich daran denke, könnte ich immer noch richtig sauer werden. Doch glücklicherweise  ist Jean-Luc inzwischen Geschichte und mit seinem Abgang  kam Leben in die Bude, zuerst mit Zottelinchen, dann mit meinem Bruder Heinrich und nun mit dem Biber Justin.    

Jetzt gibt es auch keine Regeln und kein Verstecken mehr. Pure Anarchie! Cara macht einen auf cool, sitzt auf ihrem Sofa, knabbert Kekse und steckt die Nase in ein Jugendbuch. Ein Jugendbuch, das muss man sich mal vorstellen, als ob sie noch ein Teenager wäre! Zu meinem Entsetzen sah ich, dass es auch noch eine Version von Aschenputtel von den Gebrüdern Grimm war. Meine Leser wissen es, das Märchen habe ich noch nie gemocht. Doch ich konnte nicht anders und habe mir das Werk mal näher angesehen. Man soll ja keine Vorurteile haben, vielleicht ist es neu geschrieben eine annehmbare Geschichte geworden. Nun heißt das Märchen nämlich Cinderella undercover.

Da ging mir natürlich gleich ein Licht auf. Man darf Cara einfach nicht unterschätzen. Sie liest das Buch nicht nur so zum Spaß, sondern holt sich von Cinderella Tipps. Denn im Grunde geht es ihr wie mir, sie traut Justin nicht und ermittelt heimlich.