Ich
merke ganz deutlich, dass der Herbst kommt. Da brauche ich gar nicht auf den
Kalender zu schauen, das habe ich im Gefühl. Bei uns Bären funktionieren die
Instinkte nämlich noch. In freier Natur müssen wir in der kalten Jahreszeit
eine Höhle aufsuchen, die Körpertemperatur einen Tick herunterfahren und von unseren
angefutterten Pfunden zehren. Menschen sind da ähnlich, nur sie wissen es
nicht. Natürlich müssen sie in keine Höhle, aber die Kuschelatmosphäre bei Kerzenlicht mit heißem Tee oder schrecklichem Glühwein und feinen Plätzchen, das ist pure
Sehnsucht nach Wärme. Innen wie außen.
Cara
sagt auch bereits seit vierzehn Tagen: „Ich kann es gar nicht mehr abwarten,
bis endlich die Dominosteine in den Supermarkt kommen.“ Dann geht es wieder bis
Ende Dezember los mit den schwergewichtigen Süßigkeiten und der anhaltend guten
Laune. Diese ändert sich allerdings sprunghaft nach Weihnachten, wenn sie nicht
mehr in ihre feinen, aber auch eng geschnittenen Klamotten passt, die sie gern zu
Silvester tragen würde. Und so beginnt das neue Jahr mit dem Vorsatz, Diät
zu halten. Das ist immer dasselbe Ritual, alle Jahre wieder.
Also
ehrlich, die Phase bis Weihnachten gefällt mir besser. Was danach kommt ist ein
Stimmungstief der feinsten Sorte. Cara macht dann tatsächlich eine Diät. In
diesem Jahr war es eine Reisdiät, die große fernöstliche Weisheit einer
Frauenzeitschrift. Morgens gab es einen Reiscracker, pur bitte schön. Wer so
ein Ding schon mal probiert hat, der weiß, dass man sehr viel dazu trinken muss,
damit es nicht staubt. Auf den Geschmack will ich jetzt mal nicht eingehen,
denn er hat keinen. Da ziehe ich doch die Schoko-Variante namens Puffreis vor. Man kommt auch schnell darauf, warum er diesen Namen verpasst
bekam. Er bereitet Lust, und die will man stillen. Da auch Cara nicht nur
von einem Reiscracker am Tag leben kann, hatte sie sich mit ihrer Freundin Biggie
etwas Kluges ausgedacht. Um bei einer Diät nicht einzuknicken, muss man sich
zwischendurch auch mal belohnen. Also sind die beiden eine Woche lang jeden
Abend zu ihrem Lieblingsinder Gandhi gegangen. Wer sich Bilder von
Mahatma Gandhi ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass solch ein schlankes Vorbild
motiviert. Also, Cara kam immer recht vergnügt nach Hause. Das war ja sehr schön, nur hat es mich auch
etwas stutzig gemacht. Kann man vom Reis allein so fröhlich sein?
Die
Fröhlichkeit hielt aber nicht lange an. Nach dieser Diät-Woche kam der große
Showdown, der Schritt auf die Waage. Sie war unerbittlich und zeigte fast zwei
Kilo mehr an. Ich habe mich schnell weggeduckt, denn ich fürchtete, die
Stimmung würde für ein paar Tage nicht auszuhalten sein. Irgendwann hörte ich
aus der Küche Caras Stimme: „Oh, ist das gut!“ Da habe ich mal vorsichtig um
die Ecke geguckt. Sie hatte noch eine Schachtel mit Dominosteinen gefunden und
nun wieder dieses verzückte Lächeln auf den Lippen. Reiscracker gibt es seitdem
nicht mehr hier im Haus.