Dies ist mein 100. Beitrag.
Eigentlich ein guter Grund zu feiern. Wird jemand 100, wird gefeiert, besteht
eine Firma 100 Jahre, wird gefeiert, ist ein berühmter Mensch 100 Jahre tot,
wird er gefeiert, obwohl er dann gar nichts mehr davon hat. Vielleicht sagt
Cara deshalb so oft: Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.
Doch ich habe jetzt erst einmal
genug von den Festen. Erst der Tag der Deutschen Einheit und dann Erntedank am
letzten Sonntag. Die Idee, an diesem Tag ein besonderes Gericht zuzubereiten, hatte
natürlich mein Bruder. Wie könnte es auch anders sein! Er hat uns eine
Scheewittchen-Pizza versprochen. Schon schoss es mir durch den Kopf: weiß wie
der Teig, rot wie saftig aromatische Tomaten
und leckere Salami und schwarz wie reife Oliven. Und das alles mit einer dicken
Schicht Käse darüber. Ich konnte es gar
nicht erwarten. Als Cara und ich dann vom Duft angelockt in die Küche kamen, hatte Heinrich nicht zu viel
versprochen. Schneewittchen ließ grüßen. Die Anrichte und auch der Fußboden
waren von einer schneeweißen Mehlschicht bedeckt. „Ja, wo gehobelt wird, fallen Späne“, meinte
Cara gut gelaunt und wischte schnell das weiße Gekleckere weg. Ich fand zwar, der Vergleich passte nicht so
ganz, doch wer will schon als kleiner Klugscheißer dastehen. Also habe ich mal
nichts gesagt, sondern mich auf das leckere Essen gefreut.
Als Heinrich die Pizza aus dem
Ofen holte, habe ich mir die Augen gerieben. Auf dem dünnen Teig gab es eine
ebenso dünne Schicht Mozzarella, ein paar Blättchen Basilikum und grob
gemahlenen schwarzen Pfeffer. Sonst nichts, keinen zweiten würzigen Käse, keine
Tomaten, keine Salami und auch keine Oliven. Doch wir hatten Hunger und haben
tapfer gegessen und gelogen, dass es ganz hervorragend schmecke. Schließlich
war Erntedank und da dankt man für alles, was es gibt, auch wenn es dieses Mal
etwas mehr hätte sein können. Als Nachtisch durften wir uns einen Apfel nehmen.
Cara sagte: „Puh, nein danke, ich bin so
was von satt. Ich kann nicht mehr.“ Das hat mich zwar gewundert, aber auch dazu
habe ich nichts gesagt.
Nach dem Essen war die Stimmung
etwas gedrückt. Cara hat sich vor den Fernseher gesetzt und ich habe ein Sudoku gelöst und letztlich sind wir alle früh schlafen gegangen. Normalerweise
schlafe ich sehr fest, doch in dieser Nacht weckte mich ein ständiges Brummen. Es war mein
Magen, der knurrte. Da kann man ja nicht wieder in den Schlaf finden. Also bin
ich auf leisen Plüschpfoten Richtung Küche marschiert, um mir ein paar
Honigbonbons zu holen. Ganz vorsichtig habe ich die Tür aufgemacht, denn sie
quietscht manchmal. Dieses Mal machte die
Tür: “Psst! Mach schnell wieder zu, dass Heinrich nichts merkt!“ Am Tisch saß
Cara, in der einen Hand ein großes Stück Gouda, in der anderen ein Stück Salami
und vor ihr ein Glas Rotwein. Ich glaube, ein bisschen peinlich war ihr das schon, dass ich
sie ertappt hatte. Doch dann sagte sie: „Zottel, es ist Erntedank. Nicht allen geht es so gut, dass
sie einen vollen Kühlschrank haben. Da wäre es doch dumm, die Feste nicht zu feiern, wie sie fallen.“
Honigbonbons und ich kann wieder schlafen |