Donnerstag, 15. Oktober 2015

Sich auf den Winter vorbereiten


Wie bereitet man sich am besten auf den Winter vor? Ich habe in der letzten Woche schon mal einen Test gestartet, mich ganz ruhig verhalten, mich auf mein Kissen gesetzt und so getan, als ob ich Winterschlaf halte. Mein Bruder fand das absurd, schließlich würden wir nicht in den Wäldern Sibiriens oder Kanadas leben, sondern in einer Wohnung, wo nicht nur bei Bedarf die Heizung angestellt werden kann, sondern auch immer reichlich Essen vorhanden ist. Im Grunde hat er Recht, doch das habe ich ihm nicht so gesagt. Ich wollte einfach ein bisschen dösen und die Betriebsamkeit um mich herum beobachten. Wobei die richtig hektische Betriebsamkeit ja erst im nächsten Monat einsetzt, wenn es auf Weihnachten zugeht. Da sind die Menschen nicht mehr zu bremsen. Manchmal denke ich, sie haben den Sinn von Weihnachten völlig aus den Augen verloren. Sie wollen shoppen und die Weihnachtsmärkte besuchen, um sich mit Fettgebackenem, Würstchen  und Glühwein vollzustopfen. Am nächsten Morgen kommt dann das böse Erwachen, die einen haben Sodbrennen, die anderen zu viele Kilos auf der Waage und wer ganz großes Pech hat, der stellt fest, dass sein Portemonnaie verschwunden ist. Auf jeden Fall ist dann die Stimmung im Eimer, bis es wieder heißt: Und heute Abend treffen wir uns auf einem anderen Weihnachtsmarkt und schauen genau hin, was wir essen und dass wir nicht beklaut werden.

Doch meine Gedanken eilen der Zeit voraus. Noch herrscht relative Ruhe. Cara hat die Wintergarderobe hervorgeholt, schweren Herzens die verblühten Sommerpflanzen aus den Balkonkästen gezupft und macht es sich abends wie ich auf einem Kissen gemütlich.

Nur gestern ist sie am Abend weggegangen, zu einer Tupper-Party. Ich fragte sie: „Und was ziehst du an?“ „Nichts, ich gehe hin, wie ich bin.“ Das darf nun niemand missverstehen. Sie meinte damit, sie behält ihre Jeans und den Pulli an, den sie auch tagsüber getragen hat. Ich war verwundert, denn normalerweise brezelt sie sich für eine Party auf. Doch diesmal hat sie nur ihren knallroten Lippenstift aufgetragen. Das ist bei ihr normal. Das hat sie sogar getan, nachdem sie neulich wenig Massel beim Zahnarzt hatte und er ihr eine Spritze verpassen musste. Zu dem Resultat ihrer Malkünste auf der betäubten Lippe möchte ich mich nicht äußern. 

Doch nun ging es ja zu einer Tupper-Party. Zurück kam sie mit einem Berg Plastikdosen und kriegte sich vor Begeisterung gar nicht mehr ein. In diesen Dosen bleibe alles ganz frisch und lange haltbar. Klar, sie bereitet sich auch auf den Winter vor. Dennoch fand ich es etwas absurd, denn in den Supermärkten gibt es zu jeder Jahreszeit alles zu kaufen. Himbeeren im Winter – kein Problem. Und dann sagte sie strahlend: „Diese Dosen sind zwar etwas teurer, aber sie halten ein Leben lang. Die werden mich noch überleben.“ Ich verkniff es mir zu bemerken, dass sich die Erben aber sehr freuen würden über diese bunten Dosen. Beim Thema Sterben und Tod werde ich nicht sarkastisch, das ist eine ernste Sache. Dennoch fragte ich mich, was so toll daran sei, von einer Plastikdose überlebt zu werden. Da habe ich mich wieder auf mein Kissen gesetzt und in aller Ruhe nachgedacht. Eine Antwort habe ich nicht gefunden, wäre aber beinahe in den Winterschlaf gefallen.