Dienstag, 14. April 2015

Schreibblockaden und Abschiede


Ich komme mit meinen Memoiren nicht gut voran und das betrübt mich. Cara versteht es nicht und rät, ich solle mich nicht unter Druck setzen, sondern lieber mal in die Natur gehen und mir die Frühlingsblumen ansehen. Sie hat gut reden!

Gestern ist Günter Grass gestorben und er hatte befürchtet, das Werk, an dem er gerade arbeitet, unvollendet zurückzulassen. Doch es sollte für ihn anders kommen. Ich weiß nicht, ob man jetzt schreiben darf, er hat Glück gehabt, aber ich denke schon, er wäre damit zufrieden gewesen, dass er das Buch, an dem er schrieb, abschließen konnte. Dies ist nämlich nicht jedem möglich. Ein junger Journalist, den Cara kannte und sehr schätzte, konnte seine Pläne nicht alle verwirklichen. Als hätte er es gewusst, hat er oft von wertvollen Momenten oder wertvollen Begegnungen gesprochen.   

Cara sagt auch häufig: "Carpe diem, wer weiß, was morgen ist!" Aber sie tut dann eher oberflächliche Sachen, wie ich finde. Heute zum Beispiel will sie mit ihrer Freundin Gina ein Lokal erkunden, das vor kurzem eröffnet hat. Nun darf man nicht denken, dass sie danach darüber schreibt, sie widmet sich dort lediglich dem Essen und Trinken. Als mein Bruder davon erfuhr, war er allerdings  sehr erstaunt. „Gina geht mit ihr essen? Das kann ich nicht glauben!“ Dazu muss man wissen, dass mein Bruder vor zwei Jahren mit Gina in Frankreich war und sich sehr über ihr Essverhalten gewundert hat. Dort hat Heinrich übrigens auch seine Liebe zur französischen Küche und zum Essen ganz allgemein entdeckt. Und seitdem gibt er sich gern als Gourmet. 

Kaum hatte er gehört, dass Günter Grass gestorben war, sagte er ganz traurig: „Oh, nun kann er das leckere Lübecker Marzipan nicht mehr genießen.“ Ich weiß nicht, ob Günter Grass ein Liebhaber dieser süßen Köstlichkeit war, und wenn ja, hat er vielleicht Marzipan aus Danzig vorgezogen. Wichtiger als das Zuckerwerk aus Mandeln waren ihm aber Nüsse, und das aus gutem Grund, wie eines seiner Gedichte zeigt: 

Wegzehrung

Mit einem Sack Nüsse will ich begraben sein und mit neuesten Zähnen. Wenn es dann kracht, wo ich liege, kann vermutet werden: Er ist das, immer noch er. 

(Günter Grass)