Samstag, 4. April 2015

Der Wettbewerb und das dicke Ei


Cara wollte gern an einem Wettbewerb teilnehmen. Sie sollte schätzen, wie viele Körner in einer 300g-Packung Reis enthalten sind. Da sie auf Nummer sicher gehen wollte, hat sie Heinrich und mich gebeten, Korn für Korn zu zählen. Es gäbe dann auch ein dickes Osterei für jeden von uns. 

Als ich mir vorstellte, dass wir jedes Korn in die Tatze nehmen müssten, fragte ich sie: „Aber du wirst uns danach doch diesen Reis nicht etwa als Essen vorsetzen?“ „Nein, Zottel, keine Angst, den Reis streue ich zu Biggies Hochzeit. Das bringt Glück.“ Völlig überrascht meinte ich: „Biggie heiratet!? Wen denn, um Himmels willen?“ Sie lachte und antwortete: „Ihren Teddy natürlich. Wen denn sonst?“ Cara hatte also einen Scherz gemacht. Da war ich beruhigt. Ihre Freundin Biggie liebt nämlich nur eines: Schuhe und Shoppen ganz allgemein. Ich erinnere mich noch genau, wie sie vor drei Jahren ein Paar schwarze Schuhe mit einer knallroten Sohle gekauft hatte, das wohl extrem teuer war. Cara hat zwar rote Schuhe, aber die haben eine schwarze Sohle.
Caras rote Schuhe

Jedenfalls hat Biggie danach ständig gejammert, dass ihr Dispo bis zum Anschlag ausgeschöpft sei und sie sich rein gar nichts mehr leisten könne. Eine Katastrophe bei all den wunderschönen Sonderangeboten! Eines muss man Cara lassen, sie überzieht nie ihr Konto, da passt sie ganz genau auf. Sie gönnt den Banken nicht diese Wucherzinsen, wie sie es nennt. Da ist sie eine echte Erbsenzählerin. Nur den Reis wollte sie nicht selbst zählen, wie es schien.

Doch mit der Aussicht auf ein leckeres Schokoladenosterei im XXL-Format machten Heinrich und ich uns ans Werk und zählten nun Korn für Korn. 
Knapp die Hälfte ist gezählt (was man so zählen nennt)

Nach einer Weile meinte mein Bruder: „Du, Zottel, ich habe die Nase voll von dieser Idiotenarbeit. Wir sagen Cara nachher eine beliebige Zahl und tun nur noch so als ob.“ Mein Bruder sprach mir aus der Seele. Ab und zu guckte Cara um die Ecke und wir gaben uns sehr konzentriert. Nach drei Stunden präsentierten wir ihr das Ergebnis: 121.743 Körner. Da runzelte sie die Stirn und blickte uns tief in die Augen: „Seid ihr sicher? Bei einer solchen Menge kann man sich leicht verzählen. Ich denke, ihr solltet das überprüfen und noch mal nachzählen.“ Mein Bruder – Inbegriff des schlechten Gewissens, als sei er ertappt worden – zog seinen Kopf ein und antwortete: „Cara, wenn ich es genau bedenke, hast du recht. Es wäre ja schade, wenn du dich blamierst.“ Ich dachte, ich höre nicht richtig. Mein Bruder, dieser Schleimer und rückgratlose Jasager, ließ sich darauf ein, dass wir nochmals drei Stunden vor diesem blöden Reis saßen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und die Wut kroch wie ein Feuer in mir hoch. Ehe ich mich versah, griff ich in den Reis und warf ihn über Cara und Heinrich: „Ein Teddy heiratet jedenfalls schon heute! Ihr seid ein wundervolles Paar, ein Jasager und eine Erbsenzählerin. Das passt. Glückwunsch!“ 

Danach war es einen Moment lang mucksmäuschenstill. Man hätte ein Reiskorn fallen hören können, wäre noch eins gefallen. Welcher Wortschwall sich danach aus Caras Mund ergoss, möchte ich hier nicht wiederholen, und ich werde diesen Eklat auch in meinen Memoiren nicht erwähnen. Man muss nicht immer die ganze Wahrheit schreiben. Nur dass uns das dicke Osterei entgangen ist, werde ich nicht verschweigen. 
Gab nur kleine Eier