Montag, 13. Oktober 2014

Der Froschkönig und Gerechtigkeit


Gestern hatte Cara Besuch von ihrer Freundin Biggie, auch die Shopping-Queen genannt. Ich mag Biggie gern, denn sie ist immer guter Stimmung, vor allem da solch ein gemeinsamer Abend nie ohne  mehrere Gläser Wein abgeht. So auch gestern. Cara hielt triumphierend und gut gelaunt eine Flasche Rosé hoch und meinte: „Rosé-Wein ist der neue Prosecco“. Mein Bruder schielte gleich um die Ecke, um zu erspähen, was es denn zu essen gäbe. Cara hatte nur einen Salat gemacht, Brot und Oliven hingestellt. Das war alles. Für meinen Bruder war das natürlich unbefriedigend. Er versteht die Frauen nicht, die immer auf ihre Linie achten müssen oder zumindest wollen.

Mich interessierte weniger, was auf dem Tisch stand, sondern eher was am Tisch gesprochen wurde. Doch dummerweise wurden gestern die Stimmen immer leiser und bald ging auch die Tür zu.  Jeder weiß, solch eine Geheimniskrämerei weckt Neugierde, jedenfalls bei mir. Also legte ich mein Ohr an die Küchentür. Ich weiß, das macht man nicht, aber es war mir egal. Hätte ja sein können, dass das Thema auch mich betraf. Kann man schließlich nicht wissen.

Biggie kann ihre Stimme ja nie runtertunen, das liegt in ihrem Naturell. Also hatte ich Glück und konnte einige Gesprächsfetzen erhaschen. Es ging um Männer, um Biggies Exfreund Mickey. Wer so heißt, ist schon mal von vornherein eine lächerliche Figur, so was sollte eine Frau erkennen. Wer will schon mit Mickey Mouse in Verbindung gebracht werden, so als Mann! Also war ich nicht verwundert, dass eben dieser Mickey Biggie nach Strich und Faden belogen und betrogen hat. Die genaueren Umstände konnte ich leider nicht erfahren, denn zwischen meinen Ohren (oh, jetzt hätte ich gern die von Mickey gehabt!) und den Stimmen lag die dicke geschlossene Küchentür. Ich hörte nur, wie Biggie zu Cara sagte: „Denk mal an deinen Jean-Luc, diesen Vollpfosten. Mit dem hattest du auch das große Los gezogen und hast ihm doch ewig hinterhergetrauert.“ 

Nun ja, an diesem Abend kamen die Männer nicht gut weg, was ich ein bisschen ungerecht fand. Denn auch Frauen sind keine Engel. Man denke nur an die Loreley, macht den Fischer verrückt mit ihrem Gesang. Der spielt den Hans Guck-in-die-Luft und fährt rumms auf einen Felsen. Nirgends steht geschrieben, dass sie mit ihm Mitleid hatte, oder?

Ein anderes Beispiel fällt mir aus den Märchen ein, für die ich mich übrigens sehr interessiere, denn ich finde, sie enthalten viel Wahrheit. Also, bitte mal an den Froschkönig denken! Die schöne verwöhnte Königstochter hatte mit dem Frosch einen mündlichen Vertrag geschlossen: Er bringt ihr die goldene Kugel – sie gibt ihm einen Kuss und er darf auch in ihr Bettchen. Er hat sein Versprechen gehalten, sie ihres nicht. Und wer Vereinbarungen nicht erfüllt, wird bekanntlich bestraft. 

Wer ist der wahre Froschkönig?
Ich bin mir sicher, dass seitdem alle Frauen für die Königstochter büßen müssen, da können sie machen, was sie wollen. Nur leider haben sie das noch nicht gerafft. Sie hoffen immer noch, ein Frosch möge ein schöner Prinz werden, wenn sie nur fest genug daran glauben. Leider funktioniert das in den seltensten Fällen. 

Öfters jedoch passiert es, dass sie einem vielversprechenden schönen Prinzen begegnen, der sich irgendwann aber doch als Frosch entpuppt. Und so spielen sie ein Leben lang das Quiz: Wer ist der wahre Froschkönig?

Übrigens, sollte ich mal den Rhein entlangschippern, dann, liebe Loreley, werde ich mir Watte in die Ohren stecken. Ich bin ja nicht blöd.