Samstag, 25. Februar 2017

Zottel hat sich verzettelt



Wie kann das ein Buch werden?
Die letzten Wochen hatten es in sich. Ich habe versucht, ein Buch über mein Leben zu schreiben, wobei ich die wichtigsten und schönsten Beiträge aus meinem Blog heraussuchte und ausdruckte. Mit einem Mal lag ein riesiger Papierberg vor mir und ich wusste nicht, wie ich ihn ordnen sollte. Irgendwie passte es manchmal vom Stil her nicht, dann gab es keine Verbindung der einzelnen Inhalte zueinander. Kurzum, ich war verzweifelt. Schließlich sollte es ein schönes Buch werden, mein Lebenswerk.

Mein Bruder sah ab und zu zu mir herüber und meinte irgendwann: „Warum machst du das eigentlich? Glaubst du, es macht dich glücklich, wenn du vor aller Welt dein Leben ausbreitest? Die meisten Menschen interessieren sich doch nur für sich selbst. Ausgenommen, du hast was wirklich ganz Besonderes zu bieten.“  Er hatte wohl nicht recht nachgedacht und so meinte ich versöhnlich: „Aber, lieber Heinrich, mein Leben ist was ganz Besonderes, es ist nämlich einmalig.“ Mein Bruder grinste und ließ vernehmen: „Oho, du hältst dich für was Besonderes. Wie bescheiden!“ Ich hatte den Eindruck, er war neidisch, weil er selbst kein Buch über sein Leben veröffentlichen konnte, und hielt mich mit einem Kommentar zurück. Es half mir allerdings nicht, meinen Wirrwarr an Zetteln zu ordnen und ich stöhnte und seufzte weiterhin laut vor mich hin.

Mein Bruder nervt und merkt es nicht
Irgendwann wurde es Heinrich zu bunt. Er sah von seinem Kochbuch auf, in dem er gerade las, und meinte: „Frag doch Cara, ob sie dir helfen kann.“ Diese Bemerkung entlockte mir nur ein mitleidiges Lächeln. „Welch absurde Idee, Cara und etwas ordnen.“ – „Na, dann friemel dich alleine durch!“, warf mir Heinrich patzig an den Kopf. Jetzt reichte es mir aber und ich sagte ihm, was schon lange fällig war: „Du bist nur so übel drauf, weil dein Leben nicht so interessant ist wie meines. Aber wer Tag für Tag nur in Kochbüchern liest und nach dem ultimativen Rezept sucht wie nach dem Heiligen Gral, der hat dann auch nicht viel zu erzählen.“

Heinrich ließ ganz langsam das Kochbuch sinken und sah mich an, wie nur Freiherr von Furchensumpf gucken kann. „Ich glaube, ich hör wohl nicht richtig! An unsere gemeinsame Überfahrt von Asien erinnert sich mein Herr Bruder aber noch, oder? Und danach war ich über viele Jahre bei Jens und könnte Seiten füllen mit dem, was ich dort erlebt habe.“ – „Dann tu es doch!“, fuhr ich dazwischen. Doch mein Bruder war noch nicht fertig: „Und wer wurde ausgesetzt und saß verloren auf einem Mäuerchen, bis mich dein Freund, der Dings, mitgenommen hat?“ – „Der Dings heißt Uwe. Uwe heißt er“,  erlaubte ich mir einzuwerfen. Heinrich war aber nicht zu stoppen: „Und dann meine Reise mit Gina nach Frankreich, wo ich Baby-Lou kennengelernt habe. Danach meine Augen-OP.“ Aber das ist natürlich alles nichts im Vergleich zu dem, was mein wunderbarer, einmaliger Bruder erlebt hat.“

Mit einem Mal stand Cara im Türrahmen und fragte noch mit halbvollem Mund: „Wassen hier los?“ Möglicherweise war sie durch das hektische und raschelnde Blättern in meinem Papierberg hellhörig geworden oder durch unser Wortgefecht, denn Heinrich war immer lauter geworden und auch jetzt in seinem Redefluss nicht aufzuhalten. „Mein Herr Bruder kommt mit seinem Buch nicht zurecht und ist jetzt sauer. Das ist hier los. Und nachdem er es abgelehnt hat, sich von dir helfen zu lassen, würde ich vorschlagen, back ihm einen Zitronenkuchen, der passt dann zu seiner Stimmung. Aber vergiss nicht, eine dicke Schicht Zitronenguss darüber zu gießen.“ Cara antwortete ganz ruhig: „Ich backe euch gern einen Kuchen. Doch leider habe ich für den Guss keine Zitronen im Haus, nur Orangen.“ – „Auch gut“, meinte Heinrich, „Orange, die Farbe der Kreativität und großen Einsicht. Vielleicht hilft’s ja!“