Am Sonntagvormittag brach hier
Panik aus. Cara suchte ihre Wahlbenachrichtigung. Ich fragte mich, welche
Benachrichtigung, denn ich hatte keine bekommen. Als ich sie fragend anschaute,
sagte sie: „Nun guck nicht so, es dürfen nur Menschen wählen und auch nicht
alle. Und manche Menschen wollen auch gar nicht wählen. So ist das nun mal.“ Mit so ist das nun mal speist man mich aber
nicht ab. Da will ich eine Erklärung und zwar eine hieb- und stichfeste. Dass
einige Menschen nicht zur Wahl gehen, hatte ich schon in diversen Talkshows und
Politrunden erfahren. Ich muss gestehen, das hat mich ziemlich entsetzt. Keine
der Parteien gefällt ihnen. Da sind aber einige ziemlich wählerisch. Wenn man
mich fragt, muss man beherzt eine Entscheidung fällen, auch wenn einem nicht
alles hundertprozentig in den Kram passt.
Darum war ich doppelt betrübt,
dass ich nicht mitentscheiden durfte. Bären werden im Zoo bestaunt und zur
Kultfigur und heißen dann Knut. Teddybären sind die liebsten Spielkameraden und
Tröster, nicht nur für Kinder. Ein Bär steht sogar vor der Börse zusammen mit einem Bullen. Und wenn der Bär
das Sagen hat, dann wird ängstlich auf die Aktienkurse geguckt, im Internet, im
Handelsblatt und wo auch immer. Das ist der Moment, wo wir für die Menschen von
immenser Bedeutung sind. Nur wer dann ein bisschen Geld übrig hat, freut sich
über diese bärigen Zeiten und kauft und kauft und kauft. Das wiederum freut den
Dachs, den – und das jetzt mal unter uns – die Menschen immer Dax schreiben. Da
sieht man mal wieder, wenn‘s um Geld geht, wird alles vernachlässigt, sogar die
Rechtschreibung.
Nachdem ich mich von dem ersten
Schrecken erholt hatte, dass ich an dieser Wahl nicht teilnehmen durfte, bin
ich aber nicht unbeteiligt geblieben. Ab 18 Uhr lief hier der Fernseher. Cara
hatte längst ihre Unterlagen gefunden, wo auch immer ihre Kreuzchen gemacht und
war zu einer Wahlparty gegangen. Zusammen mit meinem Bruder Heinrich,
Zottelinchen, Zotti, Baby Lou und Justin habe ich mir die erste Hochrechnung
angesehen. Nach der zweiten wurde es Heinrich langweilig und er trottete in die
Küche und wollte uns ein paar Canapées machen. Erst hatte ich gar nicht
verstanden, was er wollte. Sofas basteln? Ich hätte drauf kommen müssen, bei
meinem Bruder geht es immer ums Essen. Also, er hat uns ein paar Stückchen Brot
leicht getoastet, die Rinde entfernt und dann mit dem belegt, was er im
Kühlschrank fand. Man kann es nicht anders sagen, für so was hat er Sinn und die
richtigen Tatzen. Es waren sehr leckere, üppig belegte Häppchen und der
Kühlschrank ist nun leer. Doch wir waren fair, den Champagner von der Witwe haben
wir nicht angerührt, nicht aus Mitgefühl mit der Witwe, sondern wegen Cara. Obwohl
Justin meinte, für seine Zähne sei es kein Problem, das Drahtkörbchen zu knacken.
Doch wer sich jetzt fragt, wo die
Rinde vom Brot geblieben ist, ob man die vielleicht einfach so in den Müll
geworfen habe, der ist auf dem Holzweg. Gestern sind wir alle gemeinsam zum
Kanal gegangen, Gänse füttern. Denn wir haben ein Herz für Tiere. Und ich könnte wetten, die Gänse
durften auch nicht zur Wahl gehen. Sie haben es nicht leicht, denn ihre Zeit ist bald gekommen.
Am 11. November ist Martinstag und danach
kommt Weihnachten und dann sind sie nicht mehr auf dem Kanal. Nur die Menschen
freuen sich über den leckeren Braten auf ihrem Tisch.
Und so bin ich fest entschlossen
und werde nicht untätig bleiben. Die neue Kanzlerin oder der neue Kanzler –
steht ja alles noch nicht fest – kann sich schon mal warm anziehen. Es wird
eine Petition geben und wir werden das Wahlrecht für Tiere fordern. Über eine
eigene Partei denke ich auch schon nach. In vier Jahren werden sich meine Leser
an diese Worte erinnern und vielleicht treffen sie Politiker wieder, die sich jetzt
politikverdrossen aus ihren Ämtern zurückziehen.