Wer ist Martin und wann hat er Geburtstag? |
Mein Bruder Heinrich sagt zu mir oder er
spricht es ganz allgemein in den Raum: „Martin hat bald Geburtstag.“ Ja, das
haben wir alle, ein Mal im Jahr. Außerdem weiß ich gar nicht, wer Martin ist.
Doch dann fällt es mir wieder ein.
Cara kennt einen Martin. Er ist der Ehemann einer ihrer Freundinnen. Vielleicht hat der
bald Geburtstag? Doch muss ich mir jetzt
ein Geschenk ausdenken? Da verlasse ich mich auf meinen Bruder, der wird das
schon machen, indem er ihm einen Kuchen backt, so rein theoretisch, indem er
seine Kochbücher wälzt und ein Rezept aussucht. Backen muss den Kuchen dann
Cara, sofern sie es gebacken kriegt. Das hängt nämlich vom Schwierigkeitsgrad
ab. Wenn da Sahne oder Creme mit ihm Spiel ist und es eine Torte werden soll,
dann sehe ich schwarz oder genauer, ich sehe ein Unglück nahen. Doch bei Martin haben
wir Glück im Unglück. Er hat eine Laktoseintoleranz. Das bedeutet, dass sein
Darm keine Sahne mag. Ich verzichte jetzt darauf zu erklären, wie sich diese
Intoleranz äußert. Nicht schön.
Ich bin aber sehr für fair Play
und stecke meinem Bruder, dass Martin diese Unverträglichkeit hat. Seine
Antwort: „Ach, dass du so was weißt?“ Ja, ich höre wohl nicht richtig! Ich höre
doch zu und kann mir auch Dinge merken. Für wen hält er mich eigentlich, dieser
fanatische Kochbuchblätterer!?
Meine Stimmung macht eine kleine
Talfahrt und ich widme mich weiter dem Schreiben meiner Memoiren. Das erdet
mich normalerweise. Heute ist es mit der Konzentration allerdings nicht so weit
her. Und ich muss immer an den Geburtstag von Martin denken. Also frage ich meinen Bruder. „Wann ist denn nun
Martins Geburtstag?“ - „ Auf den Tag genau heute in einer Woche“, antwortet Heinrich,
während er schon wieder vor dem Bücherregal steht und nach weiteren Backbüchern
sucht.
Heinrich und seine Kochbücher |
Ich schreibe es nicht gern, aber
bei ihm ist suchen stark an Sucht gekoppelt. Er sollte vielleicht eine
Selbsthilfegruppe gründen, Die Anonymen Rezeptbuch-Leser. Ich weiß, wer im
Glashaus sitzt, sollte sich bedeckt halten, oder wie immer auch das Sprichwort
heißt. Bei mir gibt es kleine Suchttendenzen im Hinblick auf Honig und Schokolade.
Ich bin aber sehr stolz, dass ich das selbst erkannt habe und auch hier
freimütig und ohne Scham äußern kann.
Doch wir waren ja bei Martin und
dem bevorstehenden Geburtstag. Cara macht schon wieder Dackelfalten, was auf
eine leicht angespannte Stimmungslage hindeutet. Sie hat nämlich für den nächsten
Freitag ein paar Freunde eingeladen. Nun sollte man meinen, dass dieser Martin
an der Reihe wäre, eine Einladung auszusprechen, aber es scheint mir, als solle
die Feier hier steigen. Cara steht vor
ihrem Backofen und sagt: „Das klappt nie. Die
kriege ich da nie hinein, vor allem nicht zwei von dem Kaliber, und bei
10 Leuten müssen es zwei sein.“ Na, ich verstehe nur noch Bahnhof und gucke
wohl auch so. Aber ich stehe ja gern mit Rat zur Seite und schlage darum vor:
„Dann hol doch zwei Torten vom Bäcker. Du musst doch nicht alles alleine wuppen.“
- „Wie, vom Bäcker?“, fragt sie
verdutzt. „Zum Martinstag gibt es Gans, wie die Tradition es will, und erst
recht, weil er in diesem Jahr seinen 1.700 Geburtstag feiert.“
Jetzt bin ich baff. Ich habe schon
von Menschen gehört, die über 100 wurden, aber 1.700 Jahre! Und um ehrlich zu
sein, ich habe Martin noch vor kurzem gesehen. Für dieses Alter hat er sich verdammt
gut gehalten. Da kann man ihm am Freitag gleich doppelt gratulieren.