Heinrich hat geträunt und ist verträumt |
Während ich gestern
schon mal alles für die Fußball-EM bereit legte, damit wir unsere Jungs
anfeuern können, saß mein Bruder da und träumte vor sich hin. „Du kannst mir
ruhig helfen, all diese Girlanden zu entwirren“, sagte ich zu ihm. Da bekam ich zur
Antwort: “Ach was ist schon Fußball, wenn man einen solch wundervollen Traum
hatte wie ich in dieser Nacht!“ Erst wollte ich mich ein bisschen ärgern, weil
er sich aus vor der Arbeit drückte, doch dann siegte meine Neugierde. „Na,
erzähl schon!“, feuerte ich ihn an, wobei das im Grunde nicht nötig war, denn
er sprudelte sogleich los. „In dieser Nacht ist mir eine strahlend bunte Schnecke
begegnet. Sie sah sehr glücklich aus und hat zu mir gesprochen.“
Dann blickte er versonnen gegen den bewölkten Himmel und hielt inne. Meine Neugierde wuchs. „Und was war dann mit der Schnecke?“ „Sie hat zu mir auf Englisch gesprochen“, antwortete mein Bruder. Na, das wurde ja immer verrückter. „Sie sagte zu mir: I have a dream..“
Die sprechende glückliche Schnecke |
Dann blickte er versonnen gegen den bewölkten Himmel und hielt inne. Meine Neugierde wuchs. „Und was war dann mit der Schnecke?“ „Sie hat zu mir auf Englisch gesprochen“, antwortete mein Bruder. Na, das wurde ja immer verrückter. „Sie sagte zu mir: I have a dream..“
Nun dämmerte es
mir, wie mein Bruder zu diesem Traum und dem Ausspruch kam. Wir hatten vor
einigen Tagen nicht nur über Muhammad Ali, den erfolgreichen Boxer und mutigen
Kriegsverweigerer gesprochen, der dann doch in Atlanta das Olympische Feuer
entzünden durfte, sondern Cara hatte uns auch von dem anderen farbigen Amerikaner
erzählt, Martin Luther King, der eben diesen Satz “I have a dream“ gesprochen
hatte. Und letztlich hatte sich sein Traum auch erfüllt, wenigstens ein bisschen,
denn die USA haben schließlich seit einigen Jahren einen farbigen Präsidenten.
Dennoch wollte
ich mehr über die Schnecke und ihren Traum hören. Heinrich berichtete, dass sie
immer gehofft hatte, nicht mehr braun zu sein, sondern farbig. Das sähe nicht
nur hübscher aus, sondern würde die Menschen auch davon abhalten, Schnecken nach
dem Leben zu trachten, sie zu sammeln und zu essen. Sie würden dann bestimmt
denken, mit diesen bunten Schnecken stimmt was nicht, die haben etwas gegessen,
das sie nicht nur farbig, sondern auch noch giftig macht. Und so würden die
Schneckenfresser abgeschreckt. Ich war nicht so ganz davon überzeugt. Diese
Schnecke hat bestimmt in Deutschland gelebt und kennt die Franzosen nicht. Die würden sich sagen: „Guck mal, die Schnecken
haben ihre Farbe geändert, um uns hinters Licht zu führen. Da haben sie die
Rechnung aber ohne den Wirt und vor allem seine Gäste gemacht.“ Und schwupps
schon stünden sie wieder auf der Speisenkarte und landeten mit Kräuterbutter auf
den Tellern. Doch ich wollte meinem
Bruder nicht die Illusion rauben und schwieg. Er hingegen sagte, dass ihm die
Schnecke auch noch gesteckt habe, dass der Trend zu vegetarischem Essen radikal
auf dem Vormarsch sei und sich durchsetzen würde. Sie demonstriere mit allem,
was sie habe, für diesen Trend, wie man letztlich auch sehen könne. Ihr Körper
sei jetzt schon so grün wie der schönste Salat oder Rosenkohl und ihr Haus so
rot wie reife Kirschen oder Himbeeren. Und als besonderen Schmuck trage sie auberginefarbene Ornamente.
Dann blickte mich mein Bruder erwartungsvoll an und ich merkte, wie das
Strahlen in seinen Augen seine Begeisterung ausdrückte, die ich gefälligst mit
ihm teilen sollte. Die Schnecke, dieser farbige Trendscout, ging ihm nicht mehr
aus dem Kopf. Puh, da hatte ich mit den Baci wohl doch das falsche Geburtstagsgeschenk
besorgt, und hätte ihm besser das Buch Herr
Grün kocht kaufen sollen. Als Cara mein betrübtes Gesicht sah, wollte sie mich
trösten und meinte: „Das ist schon gut so mit den Baci, du kannst Heinrich ja
mal an dein Tablet lassen, dann kann er online gehen und das Blog verfolgen.“ Ich
schrie voller Entsetzen: „Niemals! Ich teile alles mit ihm, aber nicht das
Tablet. Da schaut er den ganzen Tag nach den Food-Blogs und davon gibt es unendlich
viele. Da komme ich gar nicht mehr zum Schreiben. Ich gehe jetzt los und kaufe
ihm das Buch und gut ist.“