Donnerstag, 24. April 2014

Zottel ist seinem Bruder auf der Spur


Heinrich ist verändert
Also, mein Bruder ist komisch und ich will nun endlich wissen, wo bei ihm der Schuh drückt. Ich weiß, liebe kritische Leser, das Bild passt jetzt nicht so gut, da er barfuß läuft. Doch um barfuß oder Lackschuh geht es hier nicht. Ich mache mir schließlich Sorgen. Heinrich liest zwar wie sonst in seinen Kochbüchern, aber er guckt dabei nicht mehr so fröhlich und begeistert wie sonst. Ein bisschen so, wie Johann Lafer vielleicht schauen würde, nähme man ihm seinen Michelin-Stern wieder weg.  

Aus diesem Grund habe ich mal vorsichtig gefragt: „Heinrich, bist du so betrübt, weil ich dir dein Lieblingsschokoladenei vor der Nase weggeschnappt habe?“ Okay, die Frage war nicht ganz logisch, denn Heinrich war schon am Ostersonnabend so seltsam, aber irgendwie musste ich ja an seine verschlossene Seele und das Problem herankommen. „Nein, nein, Zottel, es ist schon alles gut so, wie es ist.“ Au weia, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Was ihn schwer bedrückt, scheint mir größer als vermutet. Solche Sätze sagt immer Biggie, wenn sie was auf dem Herzen hat, danach mit Cara in der Küche sitzt, die beiden nach einigen Stunden mehrere Gläser Wein intus haben und mit einem Mal entspannt alle Problemen aus der Welt philosophieren. Passiert später aber was, so wie beim Osterfeuer, rastet Biggie völlig unkontrolliert aus und dann heißt es nicht mehr: Es ist alles gut so, wie es ist.  

Vielleicht hat mein Bruder einen schlechten Traum gehabt, der ihn immer noch verfolgt. Das ist mir auch mal passiert. Ich dachte, ich sei in einer Tropfsteinhöhle. Das Wasser stand mir bis zu den Knien und ich kam nicht raus aus der verdammten Höhle, hörte nur ein ständiges Plopp, Plopp, Plopp. Steter Tropfen höhlt den Stein, fiel mir ein, obwohl die Redensart irgendwie nicht passte, wenn ich nach unten blickte. Da habe ich mir doch lieber ausgerechnet, wie lange es wohl brauchte, bis mir das Wasser bis zum Hals stehen würde. Und während ich noch so rechnete, da stoppte mit einem Mal das Ploppen und ein Rauschen setzte ein. Da war ich aber mit einem Schlag hellwach. Und nun hörte auch das Rauschen auf. Nur aus dem Bad kam eine Stimme: „So eine Scheiße, auf geht der Hahn, aber nicht ganz zu. Bei dem Getropfe kann ja kein Mensch schlafen!“. Inzwischen hatte sich mein Herzschlag wieder beruhigt und ich rief geistesgegenwärtig: „Cara, dreh den Haupthahn zu!“. „Danke, Herr Neunmalklug, wäre ich nie drauf gekommen.“ Das war nun der Dank. Da habe ich mich geärgert und konnte mich gar nicht mehr richtig freuen, dass der Traum nur ein Traum war. 

Möglicherweise hat Heinrich etwas Ähnliches erlebt, kann man schließlich alles nicht wissen. Vielleicht hat er geträumt, er sei gestorben und liegt aufgebahrt da und niemand ist mehr bei ihm und hält Totenwache. Unter uns, ich frage mich immer, wieso man Tote bewachen muss. Man sollte doch eher auf sie aufpassen, solange sie noch leben. Aber egal, er fühlt sich im Traum eben allein, und das ist das Problem. Niemand ist bei ihm, nicht sein heißgeliebter Zwillingsbruder, auch nicht Baby-Lou, mit dem er in seinem Frankreichurlaub so viel Spaß hatte, nicht der kleine, immer fröhliche Zotti und auch nicht das stumme Zottelinchen, das so gerne tanzt.  Ob ich ihn einfach mal frage, ob er so was geträumt hat und ihn nun die Gedanken an seinen Tod quälen?  So richtig traue ich mich nicht. Ich glaube, ich  beobachte Heinrich noch ein paar Tage, doch dann muss ich was unternehmen. Denn solch einen traurigen Bruder, das halte ich nicht aus. Schließlich liebe  ich ihn. 
Hat Heinrich geträumt, er sei tot?






Montag, 21. April 2014

Zottel und Ostern


Wer denkt, Zottel schreibt seine Memoiren und hat deshalb Ostern verpasst, der hat sich aber geschnitten. Während ich alles aufschreibe, was ich erlebt habe, muss ich schließlich auch mal eine Pause einlegen, in Erinnerungen – guten oder schlechten – schwelgen und nachdenken. Dabei fiel neulich mein Blick auf den Kalender und die Oster-Deko, die Cara hier geschäftig verteilte. 

Das ließ mich auf Sonntag hoffen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Auch in diesem Jahr gab es ein Nest voller leckerer Schokoladeneier.
 
Inzwischen hat Cara aber darauf verzichtet, die Eier zu verstecken. Ich finde, das ist genau solch eine Albernheit wie die Geschichte vom Osterhasen, der durch die Gegend hoppelt und dann die Eier fallen lässt. Das Einzige, was er fallen lässt, ist alles andere als aus Schokolade. Also, was sollen diese blöden Geschichten?

Dennoch fing Ostern in diesem Jahr nicht harmonisch an. Cara und ihre Freundinnen sind am Samstag zum Osterfeuer gezogen. Ich mag das nicht und wollte nicht mit. Die U-Bahn ist dann rappelvoll und ich habe Angst, dass ich verloren gehe und nicht wieder nach Hause finde. Ja, braucht keiner so erstaunt zu gucken, Zottel darf auch mal Angst haben. Außerdem wird dort zu viel getrunken und ich kann keine Menschen leiden, die laut sind und nach Bier und Schnaps stinken.

Cara und ihre Freundinnen sind wohl zu einer ähnlichen Einsicht gekommen, denn  sie waren schnell wieder hier und machten lange Gesichter. Cathy hatte jemand sein Bier über ihre Jacke gekippt. Biggie, der Shopping-Queen, war jemand auf ihre neuen Sneakers getreten und hatte sie damit ruiniert. Sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen und sagte ständig: „So ein Vollidiot, so ein unglaublich trampliger Vollidiot!“ Und Cara hatte ihr Portemonnaie verloren oder es wurde ihr geklaut. Ich sage es immer wieder, diese Menschenaufläufe sind nicht ohne, aber auf mich hört ja keiner.

Wie sollte man nun die Ladies aufmuntern? Mein Bruder Heinrich, der ja meint, mit gutem Essen sei alles zu retten, hat schnell alle Mini-Pizzen aufgebacken, die unser Froster hergab, und das waren zwei große Bleche voll. Jetzt aufgepasst, ich war ganz mutig und habe den Anfang meiner Memoiren vorgelesen, um schon mal das Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, eine Lesung zu halten. Die Mädels haben geschmunzelt und manchmal auch laut gelacht. Nun weiß ich nicht, ob das ein gutes Zeichen war. Na ja, auf jeden Fall haben Heinrich und ich für gute Laune gesorgt. Manchmal sind wir eben ein Dream-Team.

Nur eines macht mir Sorgen, Heinrich hat zwar die kleinen Pizzen gebacken und serviert, sah aber sehr verdruckst aus. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Er rückt aber nicht mit der Sprache raus. Ich vermute, er hat in seinem Koch- und Backwahn versucht, selbst Schokoladeneier herzustellen, so schöne wie bei Monsieur Toddier, und sie sind ihm misslungen. Was immer auch der Grund für seine gedrückte Stimmung ist, ich finde es heraus, denn man nennt mich nicht grundlos den Hercule Poirot unter den Bären.