Nun ist es kein Geheimnis mehr |
Eigentlich bin ich ja nicht
geschwätzig, aber ich will meine Leser auch nicht im Ungewissen lassen und rücke mal mit der Sprache raus. Cara hat
einen neuen Freund und er heißt Jacques. Was schließen wir daraus? Er ist Franzose. Ganz sicher kann man sich da zwar nicht sein, denn Jean-Luc,
der Märchenerzähler, der glücklicherweise längst Geschichte ist, war Deutscher. Auf jeden Fall trifft sie
sich öfters mit Jacques. Leider kommt er nie zu ihr nach Haus. Mein Bruder und ich
hätten ihn zu gern mal gesehen, auch wenn wir sonst nicht neugierig sind. So jedoch
wissen wir nur, dass er im letzten Jahr seinen 44. Geburtstag gefeiert hat.
Sie treffen sich immer bei ihm,
manchmal auch tagsüber, aber dann nur ganz kurz. Er muss sicherlich wie alle
arbeiten. Cara kommt jedes Mal gut gelaunt und mit einer Flasche Wein nach
Hause, manchmal sind es auch zwei. Das sind dann die Geschenke von Jacques, wie
ich vermute. Er gehört wohl zu den Männern, die zu doof sind, Blumen zu kaufen,
denn meines Wissens lieben es Frauen, wenn sie Blumen geschenkt bekommen. Bei
Cara hat er aber Glück, denn sie trinkt gern Wein und so konnte er bei ihr
landen. Da hat der gute Mann das richtige Gespür gehabt.
Seit dieser Zeit faselt sie noch
mehr von Wein als in der Vergangenheit, wobei ich nach wie vor finde, er wird bei weitem überschätzt. Die dollste Geschichte hat sie zum
Besten gegeben, nachdem sie mal wieder einen Abend bei Jacques war und es
natürlich – was auch sonst – Wein gegeben hatte. Als sie am nächsten Morgen am
Schreibtisch saß, hielt sie mit einem Mal im Schreiben inne und sagte verzückt:
„Das gibt’s doch gar nicht! Ich habe diesen wundervoll frischen Sauvignon Blanc
von gestern Abend in der Nase, als stünde das Glas vor mir.“ Da war mir klar,
dass sie nun völlig durchgedreht war. Kein Mensch riecht aus heiterem Himmel
einfach so Wein. Ich zerstöre ja ungern Illusionen und damit auch die gute
Laune, wies aber darauf hin, dass sie mal an ihrem Schal schnuppern sollte. Denn
den hatte sie gestern Abend getragen und wahrscheinlich mit dem Wein
bekleckert. Sie sah mich mit großen Augen an, und schnüffelte wie der Hund
unserer Nachbarin jede Stelle des Stoffes ab. „Nichts, Zottel, nichts habe ich
verschüttet. Es ist mein Gehirn, das sich diesen betörenden Duft gemerkt hat.“
Sie lächelte versonnen und ich begann, mir Gedanken um ihr Gehirn zu machen.
Dann kam Gustav um die Ecke. Er hatte
wohl einen Teil unseres Gesprächs mitbekommen. Wie üblich nahm er die Pose eines Manns von Welt ein, baute sich im Türrahmen auf und gab seinen Senf dazu:
„Also, wenn ich einen Raum betrete und Zigarrenrauch wahrnehme, kann ich dir
auch sagen, welche Marke am Vorabend geraucht wurde. Es ist eine Frage der
Übung und des Interesses an den Dingen.“
Gustav - Mann von Welt |
Na, da hatte er ja was gesagt. Während
mein Puls Fahrt aufnahm, lächelte Cara und pflichtete ihm bei: „Ich ahnte es schon immer,
ich sollte mich mehr um Wein kümmern, so rein theoretisch, aber auch gustatorisch.“
Nun legte mein Bruder Heinrich seine Kochbücher beiseite und meinte: „Oh,
Cara, das wäre wunderbar, dann kannst du mir immer Empfehlungen geben, welcher
Wein am besten zu welchem Gericht passt.“
Heinrichs Kochbücher der indischen Küche |
Jetzt hatte ich von dem Getue
aber genug und konnte mir die Bemerkung nicht verkneifen. „Ihr lebt hinter dem
Mond, alle, alle! Rauchen ist ungesund. Ich dachte, das sei inzwischen in den
Köpfen angekommen. Das zu dir, lieber
Gustav! Und Wein, insbesondere schwerer Rotwein, ist was für Männer im gesetzten Alter, die Tweed Jackets tragen, Prosecco was für kichernde Girlies, die sich keinen Champagner leisten können und ihn auch nicht zu schätzen wüssten. Geht mal in eine Bar, heute trinkt man
Craft Beer oder Gin in vielen Variationen, nach Rum und vor allem Whisky wird gefragt, auch nach Sake, Tequila und Mezcal. Für die Harten kommt die grüne Fee in Form von
Absinth um die Ecke und für die Softies gibt‘s Cidre. Das sind die angesagten Getränke."
Einen Moment herrschte
Schweigen. Wäre eine Büroklammer auf den Boden gefallen, es hätte laut gescheppert. Cara
rührte sich als erste und hackte wild auf die Tastatur ein. Gustav rückte seine
Krawatte gerade und marschierte Richtung Balkon, auf dem er sich eine Zigarre
anzündete und einen tiefen Zug nahm. Mein Bruder Heinrich schlich als letzter
davon, schaute mich kopfschüttelnd an und blieb den Rest des Tages stumm hinter
seinen Kochbüchern sitzen.
Komisch, ich hatte doch nur
gesagt, was auch der Wahrheit entsprach, oder?