Wir haben einen Adventskalender
geschenkt bekommen. Im ersten Augenblick habe ich mich sehr gefreut. Wäre ja
auch blöd, wenn nicht. Doch dann sah ich genauer hin. Ein Teddy – mit einiger
Fantasie hätte ich es sein können – blickt durch ein Fenster auf das
verschneite Freiburger Münster.
Unser Adventskalender - natürlich mit einem Bären |
Ich schaue in den Innenhof. Kein Vergleich zu oben. |
Im Moment schneit es hier zwar nicht,
aber Anfang November wäre die Gelegenheit für solch ein Foto gewesen. Doch mich
fotografiert ja niemand. Cara fehlt es an Talent und ihre Freundin, die so was
kann und einen Kalender nach dem anderen zaubert, fotografiert Landschaften,
immer nur Landschaften, aber keine Teddys. Dabei will ich ja gar nicht auf
einen Jahreskalender, sondern auf einen
Adventskalender. Nur einmal im Jahr für schlappe 24 Tage die Hauptperson sein. Ein
bäriger Traum.
Mein Bruder hatte mit dem Adventskalender
ein ganz anderes Problem. Er wollte sofort die Türchen öffnen, um zu sehen,
welche Schokolade sich dahinter verbirgt. Es war ihm am Sonntag sehr schwer
beizubringen, dass man nicht am 1. Advent das erste Türchen öffnen darf,
sondern erst am 1. Dezember. Ich erspare meinen Lesern die langen Erklärungen,
die es bedurfte, bis er das kapiert hatte. Danach hat er sich vom Kalender abgewandt
und sich wieder in seine Kochlektüre vertieft.
Cara hatte sich wiederum um ganz
anderes den Kopf zermartert. Sie hatte eine lange Liste aufgestellt mit den
Namen ihrer Freundinnen – damit bloß keine vergessen wird. Und doch wusste sie
nicht, was sie ihnen zu Weihnachten schenken soll. Ihr wollte partout nichts
einfallen. Konzentriertes Nachdenken war angesagt und Plätzchen wurden nicht
gebacken, wie wir es erwartet hatten.
Insgesamt kann man sagen, dass
die Stimmung hier nicht auf dem Höhepunkt war. Nur Gustav, der Unternehmer-Bär,
der sich vor einiger Zeit bei uns erholen musste und danach beschloss, seine
Geschäfte von hier aus zu regeln, hatte extrem gute Laune. Das liegt vor allem
daran, dass es bei ihm in diesem Jahr wieder so richtig in der Kasse geklingelt hat. Gute Zeiten –
gute Laune, sage ich nur. Und dann ist auch der Kopf wieder frei, um an Charity
zu denken. Um ehrlich zu sein, hätte ich das Gustav gar nicht zugetraut, doch
auch ich irre mich mal. Das Leben hier bei uns hat wohl einen guten Einfluss
auf ihn gehabt. Jedenfalls will er sich nun großzügig zeigen, zumindest
Heinrich gegenüber. Er hatte erfahren, dass es ein Kochbuch von Refugees gibt,
die darin Rezepte aus ihrem Heimatland niedergeschrieben haben. Das ideale
Geschenk für meinen Bruder.
Als ich Cara davon erzählte, schaute
sie erst mich, dann Gustav an, nahm uns in den Arm, drückte uns, bis wir keine
Luft mehr bekamen, und rief freudig aus: „Ach, ihr seid zwei süße Engelchen!“
Vor Verblüffung wusste ich gar nicht, wie mir geschah, denn Engelchen hatte sie
mich noch nie genannt. Und auch all ihre Dackelfalten waren im Nu verschwunden,
als hätte Dr. Botox gerade kleine Wunder an ihr vollbracht. Schnell griff sie
zum Kugelschreiber und setzte hinter jeden Namen auf ihrer Geschenkeliste:
Kochbuch der Geflüchteten. „Fertig! Zeit für anderes!“, rief sie begeistert aus.
Was das Andere sein könnte, weiß
ich schon. Ich finde, nun kann sie mich fotografieren lassen, sodass ich
zumindest im nächsten Jahr auf einem Adventskalender zu sehen bin.