Zottel hat die Sonne genossen |
Vielleicht haben sich einige
meiner Leser gewundert, dass ich so
lange nichts Neues berichtet habe. Nein, mir sind nicht die Themen ausgegangen,
aber ich habe gechillt, die Sonne genossen und bin
auch mal ausgegangen. Wer jetzt die Vorstellung hat, ich sei ins Theater oder
in ein feines Restaurant gepilgert, der irrt. Solche Ausflüge überlasse ich Cara und ihren Freundinnen. Mein Ausflug führte mich in einen Supermarkt.
Doch auch das geschah nicht ganz freiwillig.
Ich hatte mich morgens über den
Honig beklagt, der mir vor die Nase gesetzt wurde. Dazu ist zu erklären, dass ich etwas schlechte Laune hatte, weil mich mein Freund Fritz so lange nicht
zu einem leckeren Lachsessen eingeladen hat. Und da habe ich meine üble
Stimmung auf den Honig übertragen. Das kam nicht gut an und schon hörte ich:
“Ach nee! Cara, ihm schmeckt’s nicht, heißt heute wohl das Motto. Das hat mir gerade
noch gefehlt.“ Dann wurde ich recht
ruppig in eine Tasche gestopft und Cara ließ ihrem Unmut weiter freien Lauf:
„So, nun gehen wir genau den Honig kaufen, der dir genehm ist und zukünftig
suchst du dir die Sorte selbst aus. Ich kann das Genörgel nicht mehr
hören.“
Da ich noch nie einen Supermarkt von innen gesehen hatte, habe ich große Augen gemacht, als ich mir vom Hochsitz des Einkaufswagens aus einen Rundumblick verschaffte. Cara steuerte als erstes das Regal mit den Marmeladen und Honigsorten an, brachte das Wägelchen abrupt zum Stehen, sodass ich fast hineingefallen wäre, und sagte: „ So, jetzt gebe ich dem Gourmet genau zwei Minuten Zeit, sich seinen Honig auszusuchen.“ Ich gestehe, das war keine einfache Aufgabe. Erst einmal fing ich an, all die unterschiedlichen Honiggläser zu zählen. Als ich bei 25 war, hieß es: “Noch 30 Sekunden.“ Da hattte ich aber erst die Hälfte aller Sorten gezählt. Ich übertreibe nicht, da standen tatsächlich so viele unterschiedliche Gläser. Wie sollte ich mich da entscheiden? Also habe ich den Honig genommen, der sonst auch immer auf dem Frühstückstisch steht. Da weiß man schließlich, was man hat.
Cara grinste blöd und fuhr jetzt in etwas gemäßigterem Tempo zu den Essigsorten. Beim Balsamico-Essig blieb sie stehen. Du meine Güte, auch dort viele unterschiedliche Flaschen, aber dennoch kein Vergleich zum Honigsortiment. Ich habe still bis 90 gezählt und dann laut gesagt: „Du hast jetzt exakt noch 30 Sekunden.“ Das hat Cara gar nicht beeindruckt, so vertieft war sie in die Beschreibungen auf den Flaschen. Endlich hatte sie sich entschieden und warf abschließend noch zwei von den kleinen Plastikflaschen mit dem eingedickten Balsamico-Essig in den Wagen. Ich glaube, die waren ihr das Wichtigste, denn damit verunziert sie immer die Teller.
Nichts geht ohne Balsamico |
So geschah es auch neulich, als Cathy
und Mike zu Besuch kamen und das sind wirkliche Gourmets. Es wurde eine Daube
provençale aufgetischt. Das ist die französische Variante unseres Gulaschs, nur
falls es jemand nicht weiß. Dazu gab es Julienne-Gemüse, das wohl nach einer
französischen Köchin benannt wurde. Jedenfalls vermute ich das. Und diese
feinen, schlanken Karotten wurden dann –
oh Graus – mit dem Balsamico aus der
Plastikflasche bespritzt. Das hat sie wohl aus irgendeiner Koch-Show. Die
kleckern ja auch immer mit dem Zeug herum. Zu dem Essen gab es natürlich
Baguette. Das liebe ich sehr, da darf man nach Herzenslust auf der Tischdecke
herumkrümeln und erntet keine bösen Blicke. Ich finde, die Franzosen sind
beim Essen viel entspannter.
Und dann kam das Finale, der Nachtisch,
worauf sich immer alle sehr freuen. Cara
hatte auf einem grünen Teller je eine
Kugel Schokoladeneis und Vanilleeis angerichtet. Damit macht man nie was verkehrt,
denn es sind der Deutschen Lieblingssorten. Dazu legte sie in Fächerform noch einige Cigarettes russes aus Hippenteig, der übrigens seinen Namen zu Recht trägt, so hipp wie er ist. Es sah wirklich sehr schön aus. Doch dann – ich mag mich gar nicht daran erinnern – kam das Grauen, und zwar aus einer dieser
Balsamico-Flaschen. Cara zeichnete eine
Schlangenlinie auf jeden Teller, legte den Kopf schief und betrachtete sichtlich
angetan ihr Werk. Ich konnte nun nicht mehr still sein und sagte: „Das kannst
du denen nicht so vorsetzen, die halten das für Schokolade und wenn sie es
essen, wird ihnen schlecht.“ Sie war nicht umzustimmen und meinte: „Zottel, das isst man jetzt so, zusammen mit
dem Eis ist das eine geschmackliche Offenbarung.“ – „Nein, Cara, das ist keine Offenbarung, das
ist schlicht Essig.“