Gustav braucht Ruhe |
Sein
Jammern schien mir ein bisschen übertrieben und ich meinte: „Aber es gibt
sicher auch Eltern, die für ihre Kinder nur das Beste wollen und deine guten
Bären kaufen?“ Nun kam Gustav erst so richtig in Fahrt. „Das sind die
Schlimmsten. Für die muss alles Bio sein. Immer nur Bio und Öko. Und um auf
Nummer sicher zu gehen, lesen sie jeden Greenpeace-Bericht und Öko-Test, den
sie in die Finger bekommen. Da steht dann, dass der Honig verseucht ist mit
Pestiziden. Schon haben sie Angst um das Wohl ihrer lieben Kleinen und kaufen
die Honigbären nicht.“ Nun verstand ich gar nichts mehr. Hatte er nicht eben
noch gesagt, seine Bären seien die besseren? Doch er ließ mir keine Zeit,
Fragen zu stellen, sondern klagte weiter.
„Jetzt ist wieder Januar, eine
schlimme Zeit für mich, denn ich muss meine Bilanz erstellen und die
Erfolgsrechnung. Da werde ich wohl rote Zahlen schreiben“, seufzte Gustav. „Dann
hast auch du mal was Buntes, da kannst du dich doch freuen“, wandte mein Bruder
ein. Cara verdrehte die Augen und sagte: „Nun, lasst mal den armen Gustav in
Ruhe, der soll sich hier vom dem schweren Jahr, das hinter ihm liegt, erholen.“
Ich fand zwar, viele hatten ein anstrengendes Jahr 2015 hinter sich, auch ich,
wenn ich nur daran dachte, dass ich mir beim Plätzchenbacken die Tatzen verbrannt hatte.
Doch ich sagte nichts, damit keine schlechte Stimmung aufkam.
Im Gegenteil ich machte mir Gedanken,
wie man ihm helfen könne. Ein Brief an Greenpeace hätte wohl wenig Zweck. Doch vielleicht könnte ich ein paar
Zeilen an den Thomas schreiben, er solle doch keine Werbung mehr machen, damit
Gustav wieder sein Naschzeug besser verkaufen kann. Als ich das Heinrich
erzählte, sagte der nur: „Lass das, das ist vergebliche Liebesmühe! Hast du
seine Kleidung gesehen? Der jammert auf hohem Niveau. Ich kenne das von Jens, den ich viele Jahre treu begleitet habe. Seine Eltern hatten ständig solche Leute
zu Besuch, derselbe feine Zwirn, ein Haus in Blankenese oder Harvestehude, aber
angeblich ging’s bergab.“ Davon hatte Heinrich mir noch nie erzählt und ich
vermutete, dass er nur schlechte Laune hatte, warum auch immer.
Ich wirke blass und unscheinbar im Vergleich zu Gustav |
Doch Gustav ließ nicht locker. „Zottel, du bist beratungsresistent und unflexibel. Sieh mich an! Kleider machen Leute. Nachdem es mit den Honigbären nicht mehr so gut lief, habe ich mir ein zweites Standbein geschaffen.“ Ich sah an ihm runter und entdeckte tatsächlich zwei Beine, was ich aber – unter uns gesagt – für normal hielt. Also fragte ich: „Und was ist nun mit dem zweiten Bein?“ „Ich coache“, antwortete er voller Stolz. „Das bringt gut was ein.“ Erst hatte ich Couch verstanden und dachte, er macht es sich auf dem Sofa so richtig gemütlich. Doch es verhielt sich anders, er machte es anderen ungemütlich, diktierte ihnen, was sie zu tun und zu lassen haben, und kassierte dabei ab.
Mein Bruder hat Recht behalten. Es
geht ihm gar nicht schlecht, er gehört zu denen, die immer wieder auf die Füße
fallen. Am meisten jedoch ärgerte mich,
dass er jammerte und sich ungebeten in
mein Leben einmischte, auf mich herabsah. Ich glaube, ich werde jetzt doch einen
Brief an den Thomas schreiben und ihn bitten, dass er weiterhin solch eine
lustige Werbung für die goldigen bunten Bärchen macht. Denn Heinrich und mir
gefällt das.