Vor drei Wochen haben wir Erntedank
gefeiert, wobei wir nicht wörtlich zu nehmen ist, denn hier fand zum ersten Mal
nichts statt. Wenn man mich fragt, ist das sehr undankbar, denn es gibt auf
dieser Welt viele Menschen und auch Tiere, die nichts zu essen haben. Da sollte
man doch mal ein kleines Dankeschön für das Essen haben und diesen Tag feiern.
Alle Jahre zuvor war der Tisch schon morgens
liebevoll gedeckt. Es gab leckeres knuspriges Brot, weil die Getreideernte so gut
ausgefallen war, Walnüsse, Birnen und Trauben, die süß schmecken oder auch berauschen, wenn man daraus
Wein macht. Abends gab es als Höhepunkt stets ein leckeres Kartoffelgericht
nach spanischer Art, das mein Bruder Tortilla nennt. Vor allem aber stand immer
eine große Schale mit vielen verschiedenen Äpfeln auf dem Tisch, sodass Eva sich
vor Freude gar nicht mehr eingekriegt hätte. Sie hätte nämlich nicht gewusst, mit
welchem dieser Exemplare ihr Adam am
leichtesten zu verführen gewesen wäre. Doch in diesem Jahr noch nicht mal Äpfel.
Da konnte ich nicht anders und fragte
Cara, ob sie denn keine Lust hätte, wie einst Eva jemanden mit einem schönen rotbackigen Apfel zu
verführen. Ihre Antwort kam schnell: „Zottel, spinn nicht herum! Außerdem habe
ich seit Kurzem eine Apfelallergie. Wenn
ich nur ein Stückchen esse, bekomme ich einen dicken Hals.“ Einen dicken Hals
hatte ich inzwischen auch. Warum war sie so unfreundlich zu mir? Konnte ich das ahnen, dass sie mit einem Mal allergisch auf Äpfel reagiert und deshalb sauer ist?
Und sie ließ in ihrer üblen Laune nicht locker: „Die Dinger kommen mir jedenfalls
nicht mehr ins Haus. Ich will ja nicht wie Schneewittchen enden.“ Mit Märchen
kennt sie sich auch nicht aus, denn Schneewittchen wurde schließlich gerettet. Kurz
gesagt, die Stimmung war im Eimer.
Mein Bruder dagegen blieb ganz
entspannt, hat nur große Augen gemacht und den Kopf geschüttelt. Ich weiß
nicht, ob wegen der verpesteten Stimmung im Haus oder wegen der Unwissenheit. Denn
in Sachen Essen macht man ihm so schnell nichts vor. So hatte er gelesen, dass
es auch Äpfel für Allergiker gibt, ganz bestimmte alte Sorten müssen es sein. Cara
guckte ungläubig, doch dann hat er ihr im Internet einen Kalender gezeigt. Da
waren wunderschöne Äpfel zu sehen, an die sich auch Menschen wagen dürfen, die sonst Äpfel nicht vertragen.
Doch Cara wäre nicht Cara, hätte
sie eingelenkt. Sie sagte nur: „Nee, Heinrich, lass mal. Ich geh auf Nummer sicher
und nehme Trauben zu mir.“ Und schwupps entkorkte sie eine Flasche Rotwein und
goss sich ein großes Glas ein. Um ehrlich zu sein, das war gar keine schlechte
Idee. Im Nu hatte sich ihre Laune verbessert und sie meinte entschlossen: „So,
jetzt holen wir was nach.“ Dann schälte sie
Kartoffeln und briet uns eine ganz tolle
Tortilla, an der selbst mein Bruder nichts zu kritisieren hatte. Als Nachtisch gab es dann zwar keine
Äpfel, aber Eis aus dem Gefrierfach. Erntedank eben mal anders.